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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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resigniert mit den Schultern. »Ja, das weiß ich doch nicht!«
    Da sich alle Menschen plötzlich zu einer Seite des Schiffes bewegten und aufs Wasser starrten, lief auch Antje dorthin. Sie sah das Rettungsboot und augenblicklich wurde ihr klar, dass dies die Lösung war. Da versuchten Leute, einfach vom verseuchten Schiff abzuhauen.
    Sie waren schon zu weit weg, als dass sie ohne ihre Kontaktlinsen hätte erkennen können, wer an Bord war. Kurz entschlossen zog sie sich bis auf die Unterwäsche aus und sprang in die Nordsee.
    Sie machte einen einfachen Fußsprung. Es war tiefer, als sie erwartet hatte. Sie kreischte, bis sie in die Wellen klatschte. Ihr Kreischen gipfelte in einem kollektiven Aufschrei an Bord.
    Sie blieb erstaunlich lange unter Wasser und tauchte dann in einer sprudelnden Fontäne wieder auf.
    Die kühle See tat ihr gut. Sie fühlte sich stark, erfrischt, ja gereinigt. Sie war eine gute Schwimmerin und kraulte los in Richtung Boot. Damit stellte sie viele Menschen vor die Entscheidung, es ihr gleichzutun. War das hier ein Ausweg?
    Der Punk aus Braunschweig hatte ihren Sprung mit dem Handy fotografiert. Im Grunde, dachte er, hat sie recht. Jetzt zu dem Rettungsboot zu schwimmen, ist genau das Richtige. Aber was ihn hinderte, war die Unmöglichkeit, sich von seinen Klamotten zu trennen. Die Lederjacke mit den Ketten dran. Die blauen Doc Martens. Das alles machte ihn aus. Der Gedanke, von einem schlimmen Virus attackiert zu werden, war nicht so schlimm für ihn wie die Zumutung, in Unterhosen irgendwo an Land gehen zu müssen. Wer war er ohne die Klamotten, ohne sein Outfit?
    Diese Frage trieb ihm plötzlich die Tränen in die Augen und hinderte ihn daran, überhaupt irgendetwas zu tun. Es war, als hätte Antje mit ihrem Sprung sein ganzes Leben infrage gestellt. Das Handybild von ihr würde ihn immer daran erinnern. Sooft er es anschaute, würde ihm daraus die Frage entgegengebrüllt werden: Wer bist du eigentlich?
    Antje arbeitete sich durch die Wellen, hin zum Boot. Ein paar andere Leute entschlossen sich, ihr zu folgen. Keineswegs nur junge Menschen unter dreißig. Josef Flow, einem pensionierten Sportlehrer aus Gelsenkirchen, war es immer noch lieber, als hier untätig an Bord herumzustehen. Er wollte die Dinge aktiv in die Hand nehmen. Alles auf eine Karte setzen. So oder so.
    Als er auftauchte, klatschten hinter ihm die Nächsten ins Wasser.
    Antje war jetzt nah beim Rettungsboot. Sie rief: »Hey, hey, wartet! Nehmt mich mit!«
    Benjo hatte im Grunde gar nichts dagegen. Irgendeinen neutralen, vernünftigen Menschen mit an Bord zu nehmen, fand er sehr hilfreich, obwohl es ihm Sorgen machte, wie viele Menschen da auf das Rettungsboot zuschwammen.
    Er reichte Antje die Hand. Sie nahm sie. Er zog sie näher.
    Ihr BH hatte sich voll Wasser gesogen und war schwer geworden. Die linke Brust hing heraus. Sie bemerkte es aber nicht.
    »Geile Idee, abzuhauen! Ich will auf keinen Fall da oben bleiben. Da sind viel mehr Kranke, als man denkt.«
    Doch dann sah sie Margit Rose mit Viola.
    »Ach du Scheiße!«, kreischte sie. »Lass mich los! Lass mich los! Fass mich nicht an!«
    Sie schlug nach Benjo, der sie natürlich sofort losließ.
    »Äi, spinnst du? Erst willst du mit und jetzt haust du mir eine rein?«
    »Das sind die Infizierten! Das sind die Infizierten!«, schrie Antje und schwamm zur Fähre zurück.
    Lange bevor sie die Fähre erreicht hatte, erlitt sie eine Art Schwächeanfall. Ihr wurde plötzlich klar, dass es gar nicht so leicht war, wieder an Bord zu kommen. Die Ostfriesland III war kein flaches Paddelboot. Es gab steile Wände, die gerade heraufragten und von unten unbezwingbar erschienen.
    Kai Rose ruderte immer schneller. Er wollte die anderen Menschen nicht an Bord haben.
    Die Wellen hoben und senkten das Boot. Sie warfen es vorwärts. Für die nachfolgenden Schwimmer schien es teilweise in den Wellen zu verschwinden. Oben vom Deck der Ostfriesland III war es aber die ganze Zeit gut auszumachen.
    Nur der Kellner, der den ganzen Aufstand irgendwie angezettelt hatte, bekam von alldem nichts mehr mit. Um die Schmerzen des verletzten Fingers nicht zu spüren, hatte er fünf Paracetamol, aufgelöst in zwei großen Gläsern Whisky, genommen. Das war zu viel für ihn gewesen. In den Armen der Aushilfskellnerin Heidrun nickte er ein.
    Heidrun saß jetzt mit ihm in einer für die Passagiere vorgesehenen Eckbank beim Bullauge. Der Kellner hatte seinen Kopf auf ihre Oberschenkel gelegt. Sie kraulte

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