Todesbrut
von den anderen Möbeln wegzuzerren, doch der ostfriesische Wind schien sich einen Spaß daraus zu machen, mit einer heftigen Böe brennendes Stroh übers ganze Gelände und bis hierher zu verteilen. Durch Tims Kamera sah es aus, als würde es Feuer regnen.
Dann hatte Tim den Feuerlöscher endlich einsatzbereit. Der erste Strahl klatschte völlig sinnlos gegen die Mauer, aber dann konnte er ein paar gezielte Stöße absetzen. Er begriff sofort, dass sie so überhaupt keine Chance hatten. Den Feuerlöscher auf den Knien, versuchte Tim, mit dem Schaum Flammen zu ersticken, gleichzeitig wählte er die Nummer des Notrufs und es wunderte ihn überhaupt nicht, dass es dort zwar klingelte, aber niemand abhob.
»Bei der Feuerwehr meldet sich keiner! Verdammt, wenn man Hilfe braucht, warum meldet sich dann keiner?«
Josy rief ihm zu: »Ruf Akki und die anderen an! Sie sollen kommen! Wir kriegen das alleine nicht geregelt!«
Tim kam ihrer Aufforderung nicht nach, sondern kämpfte mit dem Feuerlöscher, der plötzlich mit einem erstickenden Geräusch, wie ein Raucher, der den letzten Zug tut, jede weitere Zusammenarbeit aufkündigte. Tim schüttelte das Teil. Er konnte es genau hören. Da war noch genug drin.
»Was ist denn los mit dem Scheißding?«, schimpfte er. »Wann ist der denn zum letzten Mal gewartet worden?«
Er ließ den Feuerlöscher fallen. Plötzlich kamen zwei Schaumstöße aus der Düse.
Jetzt war Josy bei Tim. Sie nahm ihm das Handy ab und wählte Akkis Nummer, während sie in der Hocke kniend den Feuerlöscher wieder in Gang setzte. »Kurze, schnelle Stöße«, rief sie, »so, siehst du?«, und zeigte ihm, wie es ging.
Tim kam sich äußerst dumm und linkisch vor. Jeden Mist habe ich in der Schule gelernt, dachte er, bloß nicht, wie man einen Feuerlöscher betätigt.
»Akki, ihr müsst sofort kommen! Wir sitzen in der Hühnerfarm und werden von Irren angegriffen. Sie wollen den Laden anzünden! Wir brauchen eure Hilfe. Bitte kommt! – Nein, das ist kein Scherz, du Idiot! Hab ich jemals so dämliche Witze gemacht? Wir brauchen hier alle verfügbaren Leute! Die töten sonst die Tiere – und ich fürchte, am Ende uns auch.«
»Geh rein! Geh rein! Guck auf die Monitore!«, rief Ubbo Jansen jetzt seinem Sohn zu. »Vielleicht nutzen die Schweine die Situation aus, zünden hier die Bude an und steigen woanders über die Mauer! Ich krieg das hier selbst unter Kontrolle!«
»Ist das dein Ernst, Papa?«
»Siehst du doch. Ubbo Jansen, still fighting!«
Tim drehte seinen Rollstuhl, kehrte dem Feuer den Rücken zu und fuhr ins Haus zurück. Kurz vor dem Eingang flog eine Pechfackel über die Mauer und landete direkt auf seinem Schoß. Tim stieß die Fackel sofort weg. Er schrie laut und schlug auf die Flammen. Er pinkelte sich vor Schreck in die Hose.
Schon war Josy mit dem Feuerlöscher bei ihm.
»Nicht, nicht!«, protestierte er, aber für Josys Gefühl einen Augenblick zu spät. Es war ihm gar nicht so unlieb, dass ihn der weiße Schaum am Bauch getroffen hatte und sich bis zu den Knien ausbreitete. So sah sie wenigstens nicht, dass er sich bepinkelt hatte.
Josy rief fast triumphierend: »Unsere Leute kommen. Keine Angst, Herr Jansen, wir lassen Sie nicht im Stich.«
Ubbo Jansen stand so nah am Feuer, dass er Josy kaum verstand. Er spritzte das Wasser jetzt nicht mehr direkt in die Flammen, sondern aufs Dach und auf die Wände vom Hühnerhaus. Er hoffte, so ein Übergreifen der Flammen verhindern zu können. Aber es gab dort eine Stelle, da lag das Stroh so nah am Gebäude, dass er schon nicht mehr sehen konnte, ob schon das Haus brannte oder nur die Strohballen.
»Welche Leute?«, fragte er.
»Sie wissen genau, wen ich meine. Akki und …«
Wenn es einen Namen gab, auf den Ubbo Jansen allergisch reagierte, dann Akki. Zweimal hatte er ihn angezeigt, weil er versucht hatte, Hühner freizulassen. Diebstahl nannte Ubbo Jansen das. Hausfriedensbruch, Einbruch – da kam eine Menge zusammen. Einmal hatte er die Anzeige auf Druck von Tim zurückgezogen, der behauptete, Akki sei sein bester Freund und das Ganze würde nicht wieder vorkommen. Aber knapp drei Wochen später hatte der Kerl die gleiche Aktion noch einmal gelandet, unterstützt von einem halben Dutzend radikaler Tierschützer.
Jetzt begriff Ubbo Jansen, dass Josy auch eine von denen war.
»Die haben bei mir Hausverbot! Ich hab ihn angezeigt und … Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich die Typen hier reinlasse?«, fragte er mit einem
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