Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
jetzt auch noch um ihn zu kümmern. Ihn hätte sie um Verzeihung bitten können. Mit ihm hätte sie reden können. Er brauchte sie im Moment vielleicht sogar mehr als Viola. Doch irgendetwas hinderte sie. Vielleicht war es die Angst vor seiner Reaktion. Die ohnmächtige Viola lag in ihren Armen, ohne sich dagegen wehren zu können. Bei Dennis war sie sich da gar nicht sicher.
    Mit einer Hand zwirbelte Margit Rose sich eine Haarlocke um den Finger. »Morgen«, flüsterte sie ihrer ohnmächtigen Tochter ins Ohr, »morgen mache ich dir Milchreis mit Zimt und Zucker und einen echten Kakao, mit heißer Milch und einem dicken Stück Schokolade. Wir werden so schön schlemmen und kochen, wir beide. Weißt du noch, wie wir zusammen Weihnachtsplätzchen gebacken haben? Du hast diese wunderschönen Engelchen aus dem Teig gestochen und Sterne. Wir werden es uns ganz schön gemütlich machen, mein kleines Mädchen.«
    Sie hatte die irre Hoffnung, dass ihre Tochter sie hören konnte. Wo immer sie jetzt war, vielleicht empfand sie zumindest die warme Stimme, ihren Körper und hoffentlich spürte sie, dass sie geliebt wurde.
    Josef Flow und Kai Rose saßen so weit wie möglich voneinander entfernt im Boot und ließen sich nicht aus den Augen. Sie belauerten sich gegenseitig.
    Benjo stand zwischen ihnen und fühlte sich unwohl, irgendwie ausgeliefert. Ein Spielball zwischen sich bekämpfenden Mannschaften. Er wurde in die eine oder andere Richtung getreten, und egal, was er tat, es gab Punkte für den einen oder Abzug für den anderen.
    »Wohin geht die Reise überhaupt?«, fragte Josef Flow Benjo. »Ist das da vorne Borkum?«
    »Ja, das ist Borkum.«
    Verschiedene dunkle Wolkenflächen zogen sich über der Insel zusammen, wie der Rauch ferner Lagerfeuer, der vom Wind in eine Richtung getrieben wurde. Hoch oben vor dem rosigen Abendhimmel verschmolz alles zu einer düsteren, bedrohlichen Teufelsmaske. Nicht einmal die Hörner fehlten. Das Bild war so perfekt, dass es Benjo schauderte.
    Außer ihm nahm nur noch Dennis dieses Naturereignis wahr. Er starrte in den Himmel und spürte für einen Moment die Schmerzen im Fuß nicht mehr. Er wusste, dass er sich auf etwas anderes, Größeres, Gewaltigeres zubewegte. Etwas, das viel gefährlicher war als die zertrümmerten Knochen in seinem Fuß.
    »Ich will nicht nach Borkum!«, protestierte Kai Rose. »Wir drehen um. Wir fahren nach Holland!«
    »Oh nein, das werden wir nicht tun«, sagte Benjo scharf. »Wir sind näher an Borkum als an irgendeinem anderen belebten Ort. Wir fahren mit der Strömung. Alles andere ist Blödsinn.«
    Kai Rose brüllte sofort los: »Wir sind gerade erst in Borkum weggeschickt worden! Ohne diese Scheißgestalten da wären wir jetzt gar nicht in dieser Situation! Wir waren mit einem Riesenschiff da und mit ein paar Hundert Leuten und wir konnten uns nicht durchsetzen. Sollen wir paar Männekes jetzt mit diesem Paddelboot da einen neuen Landungsversuch wagen? Die schlagen uns zu Brei!«
    Klar, dass er dagegen ist, nur weil ich dafür bin, dachte Benjo. Trotzdem muss ich das jetzt durchziehen.
    »Borkum ist die größte ostfriesische Insel. Wir werden nicht im Hafen anlegen, sondern irgendwo am Sandstrand. Es ist unmöglich, diese ganze Insel zu bewachen. Dazu bräuchte man eine Armee. Die paar aufgebrachten Leute schaffen es vielleicht, den Hafen abzuschotten. Aber nicht den Rest der Insel.«
    »Es ist trotzdem Wahnsinn! Ich will da nicht hin! Wir müssen irgendwo an Land gehen, wo man uns hilft.«
    »Wir rudern jetzt nach Borkum«, stellte Benjo noch einmal klar und versuchte, es in einem Ton zu sagen, der keinen Widerspruch duldete. Dies hier war keine Schülersprecherwahl. Niemand hatte Angst vor ihm, Angst davor, in seiner Achtung zu sinken, niemand hier fürchtete seinen Spott.
    »Er hat recht«, sagte Josef Flow. »Die werden uns auf Borkum jagen, wenn sie mitkriegen, dass wir gelandet sind. Das ist kein gemütlicher Ort für uns. Die Staatsmacht hat dort ja anscheinend jede Kontrolle über die Situation verloren.«
    Vielleicht, dachte Benjo, bringt es ja was, wenn ich einfach die Wahrheit sage. Weshalb ich außerdem für die Landung auf Borkum bin. Manchmal helfen ja ein paar persönliche Worte.
    »Dort ist die Frau, die ich liebe. Sie heißt Chris. Sie hat ein Zimmer. Ich habe ihr versprochen, dass ich komme. Sie wird uns helfen. Wir sind nicht ganz allein. Wir haben dort zumindest einen Verbündeten.«
    »Ich habe auch ein Zimmer dort, aber trotzdem

Weitere Kostenlose Bücher