Todescode
legte auf. Er sah Osborne an. Osborne behielt die Hände am Lenkrad.
»Sie wussten von dem Erfinder, nicht?«, sagte Ben, dessen Kopf wieder anfing zu pochen. »Hilzoy. Sie wussten, was mit ihm passiert ist.«
Osborne starrte geradeaus. Als er sprach, klang seine Stimme eine Oktave höher als sonst. »Die Polizei sagt, er wurde im Zusammenhang mit einem Drogendeal getötet.«
»Ja, das hat die Polizei geglaubt, das sollte sie glauben. Aber ich habe gefragt, ob
Sie
Bescheid wussten.«
Osborne antwortete nicht. Und das war Antwort genug.
Das Pochen in seinem Kopf wurde stärker. Dieser Scheißkerl wusste ganz genau Bescheid. Er wusste, dass sie Alex umbringen wollten. Was genauso war, als wenn er selbst versucht hätte, Alex umzubringen.
Ein Teil von ihm staunte über seine eigene Inkonsequenz. Noch vor ein paar Stunden hatte er selbst Alex umbringen wollen, in gewisser Weise förmlich danach gelechzt. Aber das war etwas anderes. Alex war sein Bruder. Vielleicht war es paradox, vielleicht war es verkorkst, aber so war es nun mal.
Er überlegte, ob Osborne eine weitere Gefahr darstellte. Wenn es den Stand der Dinge verbessern würde, ihn zu eliminieren, würde er es tun. Aber ihm fiel nichts in der Richtung ein. Er wusste nicht, wie er das einschätzen sollte. Ein Teil von ihm wollte Osborne trotzdem umlegen. Und genau das hatte er auch vorgehabt, als er ihn gezwungen hatte, in diese einsame Gegend zu fahren. Doch jetzt, wo er sah, wie verkrampft dieser das Lenkrad festhielt, wo er die Angst des Mannes sah, sie sogar riechen konnte, stellte er fest, dass er sich innerlich sträubte. Er hatte eine Menge Leute getötet – im Kampf, in Notwehr, kaltblütig. Doch er hatte nie getötet, wenn es nicht für eine Operation erforderlich war oder für sein Überleben. Er hatte im Laufe seines Lebens eine Menge Grenzen überschritten, und er merkte zu seiner Verwunderung, dass er diese hier nicht überschreiten wollte.
Er sah Osborne an. »Aussteigen. Die Tür offen lassen.«
Osborne blickte ihn mit flehenden Augen an. »Tun Sie’s nicht. Bitte.«
»Wenn ich das vorhätte, Sie Arschloch, hätte ich es längst getan. Und Sie hätten es nicht mal kommen sehen.«
Sie stiegen beide aus. Osborne hob die Hände vor den Körper, halb flehend, halb kapitulierend.
»Schlüssel und Handy auf den Sitz legen«, sagte Ben.
Osborne tat es.
»So, jetzt treten Sie von dem Wagen weg. Sie finden ihn auf Ihrem Parkplatz wieder. Schönen Spaziergang.«
Er fuhr zurück zu Sullivan, Greenwald, stellte den Wagen ab und stieg in seinen ein. Er wollte Hort vertrauen. Wie er ihm immer vertraut hatte. Er fand es zum Kotzen, dass ihn jetzt plötzlich Zweifel beschlichen.
Aber vielleicht gab es ja einen Ausweg. Vielleicht ließ sich ja alles wieder ins Lot bringen. Wenn er sich mit Hort traf, sich anhörte, was er zu sagen hatte … Vielleicht gab es eine Erklärung. Vielleicht konnte er die Hunde zurückpfeifen. Vielleicht.
Aber zuerst musste er dafür sorgen, dass Alex mitzog.
29 Stich
Sarah nahm ein Taxi vom Hotel zu ihrer Wohnung im Mission District. Sie war erschöpft und fühlte sich seltsam taub. Die Nacht zuvor, mit Ben … das war überwältigend gewesen. Sie wusste nicht, ob sich daraus noch mehr entwickeln würde, ob sie das überhaupt wollte, aber irgendetwas war zwischen ihnen geschehen. Und trotz des ganzen Wahnsinns drumherum hatte es sie im Innersten aufgewühlt. Doch am nächsten Morgen, als er ging, hatte er ihr ungefähr so viel Beachtung geschenkt wie einem bequemen Sessel, in dem er gern gesessen hatte. Und weshalb? Weil er einen Streit mit seinem Bruder gehabt hatte? Musste er sie deshalb wie eine Sache behandeln, die man einfach so wegwarf, wenn man sie nicht mehr brauchte?
Oder vielleicht war der Streit mit Alex für ihn bloß ein Vorwand gewesen. Von ihrer ersten Begegnung an hatte sie gewusst, dass er kaputt war, emotional beschädigt, und sie hätte sich lieber auf vorsichtigem Abstand zu ihm halten sollen. Sie war ebenso wütend auf sich selbst, weil ihr eine so lächerliche Fehlentscheidung unterlaufen war, wie sie auf Ben wütend war, weil er sie wie den letzten Dreck behandelte.
Alex. Sie hatte ihm nicht weh tun wollen. Sie hatte nicht mal gewusst, dass sie ihm weh tun konnte. Wie würde es jetzt sein, wenn sie sich im Büro sahen? Würde er noch mit ihr arbeiten wollen? Oder würde er sie übergehen, sie irgendwie links liegenlassen?
Doch dann machte sie sich klar, wie banal diese Sorgen waren: Sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher