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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nach zu schließen, durchschnitt ein kleiner Bach die Wiese in der Mitte und floß durch das ganze Tal. Sie blickte auf, sah mit zusammengekniffenen Augen in den weißen Mahlstrom jenseits des Waldes, konnte aber den Bach dort draußen nicht erkennen, selbst als der Schneevorhang sich wieder einmal öffnete. Sie vermutete, daß er zugefroren und mit Schnee bedeckt war. Wenn sie dem Bach folgten, anstatt die Wiese zu überqueren und das nächste Waldstück aufzusuchen, würden sie schließlich an das obere Ende einer schmalen Senke gelangen, die sich zum See hinunterneigte; denn dies war ein Hochtal, das noch ein gutes Stück über Tahoe lag. Gestern, als Charlie die Karte zum erstenmal herausgeholt hatte, hatte er gesagt, daß sie diesen Weg einschlagen würden, falls sie die Hütte verlassen und in die Wildnis ziehen mußten; aber das war gewesen, ehe er angeschossen worden war. Von hier war es ein Marsch von fünf bis sechs Kilometern in die Zivilisation, nicht weit, wenn man sich in gutem körperlichem Zustand befand. Jetzt freilich, wo er verwundet und schwach war und sich ein Blizzard zusammenbraute, bestand absolut keine Hoffnung, auf dieser Route zum See hinunterzugelangen. Unter den gegenwärtigen Umständen waren fünf oder sechs Kilo meter eine Reise von gleicher epischer Länge wie ein Marsch quer durch China.
    Sie suchte verzweifelt die Karte nach einem anderen Ausweg oder nach irgendeinem Hinweis auf einen Zufluchtsort ab, und nachdem sie einige Male die Zeichenerklärung studiert hatte, um die Symbole des Kartographen zu entziffern, entdeckte sie die Höhlen. Sie befanden sich auf dieser Seite des Tales, etwa achthundert Meter nordöstlich von hier. Nach der Karte zu schließen, handelte es sich bei den Höhlen um eine Sehenswürdigkeit für Leute, die sich für indianische Höhlengemälde interessierten und Pfeilspitzen sammelten. Christine konnte nicht ausmachen, ob es sich nun um eine oder zwei Höhlen oder ein ganzes Höhlensystem handelte, aber sie nahm an, daß sie wenigstens groß genug sein würden, daß sie dort sowohl vor Spiveys Fanatikern als auch dem mörderischen Wetter Zuflucht finden konnten.
    Sie schob sich näher an Charlie heran, legte den Kopf dicht an den seinen, um sich im Heulen des Windes Gehör zu verschaffen, und sagte ihm, was sie vorhatte. Er stimmte sofort zu, und seine Zuversicht, mit der er ihren Plan aufnahm, verlieh ihr noch mehr Vertrauen. Sie hörte auf, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob es eine kluge Entscheidung war, die Höhlen aufzusuchen, und fing an, sich darüber zu sorgen, ob sie es durch den Sturm dorthin schaffen würden.
    »Wir könnten in nordöstlicher Richtung durch den Wald gehen, an der Talwand entlang«, sagte sie zu Charlie, »aber da würden wir Spuren hinterlassen.«
    »Wenn wir dagegen auf die Wiese hinausgehen und dort nach Norden gehen und erst später abbiegen, dann verweht der Sturm unsere Spuren sofort.«
    »Ja.«
    »Und dann würden Spiveys Leute unsere Spur hier verlieren«, nickte er.
    »Genau. Um die Höhlen zu erreichen, müßten wir natürlich weiter im Norden wieder in den Wald eindringen, aber es besteht nicht die geringste Chance, daß sie unsere Spur wiederfinden. Zum einen werden sie erwarten, daß wir in südwestlicher Richtung ins Tal hinuntergehen, auf den See zu, weil dort die Zivilisation ist.«
    »Richtig.« Er leckte sich die gesprungenen Lippen. »Nordöstlich von uns ist nichts außer Wildnis.«
    »Und dort werden sie nicht nach uns suchen, oder?« fragte Christine.
    »Das bezweifle ich«, sagte er. »Gehen wir.«
    »Leicht wird es nicht sein, dort draußen bei dem Wind und dem Schnee«, sagte sie.
    »Das schaffe ich schon.«
    Nicht daß er so ausgesehen hätte, als ob er es schaffen würde. Er sah nicht einmal so aus, als würde er aufstehen können. Seine Augen waren wäßrig und blutunterlaufen. Sein Gesicht wirkte ausgemergelt und erschreckend bleich, seine Lippen waren blutleer.
    »Aber du mußt... auf Joey achten«, sagte Charlie. »Am besten schneidest du ein Stück Schnur ab. Nimm ihn an die Leine.«
    Das war ein guter Vorschlag. Dort draußen auf dem freien Feld betrug die Sicht bestenfalls ein Dutzend Meter, und wenn der Wind den Schnee aufpeitschte, wurden daraus allerhöchstens eineinhalb. Die Gefahr, daß Joey ein paar Schritte vom Weg abkam, war daher sehr groß, und sobald sie einmal getrennt waren, würde es schwierig, wenn nicht unmöglich sein, einander wiederzufinden. Sie schnitt ein Stück Seil

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