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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sein Hemd auf und zog es von seiner verletzten Schulter. Dann löste sie die Druckknöpfe seiner Thermounterwäsche, die mit Blut und Schweiß verklebt war. Jetzt sah sie das häßliche Loch, hoch an der linken Brustseite, dicht unter dem Schlüsselbein. Als sie es sah, hatte sie das Gefühl, als würden sich le bende Schlangen in ihrem Magen winden. Die Blutung hatte aufgehört, aber das Fleisch um die Wunde war angeschwollen und bösartig rot. Etwas weiter außen hatte seine Haut eine häßliche Purpurfarbe angenommen, und dahinter war sie weiß wie die Wand.
    »Viel Blut?« fragte er.
    »Ja, aber jetzt blutet es nicht mehr stark.«
    »Spritzt es?«
    »Nein. Wenn eine Arterie verletzt worden wäre, wärst du jetzt tot.«
    »Glück gehabt«, sagte er.
    »Und wie.«
    An seinem Rücken sah die Austrittsöffnung des Schußka nals ebenso schlimm wie die Vorderseite aus, und sie glaubte, in dem zerfetzten blutigen Fleisch Knochensplitter zu erkennen.
    »Die Kugel steckt nicht mehr in dir«, sagte sie.
    »Das ist gut.«
    Die Reiseapotheke befand sich in seinem Rucksack. Sie holte sie heraus, schraubte eine kleine Flasche mit Borsäurelösung auf und schüttete etwas davon in die Wunde. Einen Augenblick lang schäumte es heftig, aber es brannte nicht so wie Jod. Charlie sah mit verträumter Miene zu, wie die Flüssigkeit Blasen zog.
    Sie drückte schnell etwas Schnee in einen Blechbecher und ließ ihn auf der heißen Glut des ausgebrannten Feuers schmelzen.
    Jetzt schien er seine Verträumtheit überwunden zu haben, und er schüttelte den Kopf, wie um ihn klarzubekommen, und sagte: »Schnell!«
    »Ich geb' mir die größte Mühe«, sagte sie.
    Als die Borsäure ihre Arbeit getan hatte, bestäubte sie beide Öffnungen mit einem gelblichen antiseptischen Pu der und anschließend einem weißen schmerzstillenden Puder. Jetzt hatte die Blutung fast ganz aufgehört. Sie hatte die Handschuhe ausgezogen, um schneller und besser arbeiten zu können, und fertigte jetzt aus Wattebäuschchen und einer fünf Zentimeter breiten Gazerolle einen nicht besonders professionellen Verband an, den sie dann aber mit so viel Heftpflaster festklebte, daß er nicht abfallen würde.
    »Horch!« sagte er.
    Sie war mäuschenstill.
    Sie lauschten, aber da war nur das Pfeifen des Windes in den Bäumen.
    »Das sind sie nicht«, sagte sie.
    »Noch nicht.«
    »Chewbacca wird uns warnen, wenn jemand kommt.« Der Hund lag entspannt neben Joey.
    Die eisige Luft hatte unterdessen die aufgespeicherte Wärme in den Felsen abgekühlt. Unter dem Felsüberhang wurde es in der geschützten Nische wieder kalt. Charlie fröstelte heftig.
    Sie zog ihn hastig an, zog den Reißverschluß seines Jakketts zu, schob ihm die Kapuze zurecht, band sie ihm unter dem Kinn zu und holte dann den Becher mit geschmolze nem Schnee von der Glut. In der Reiseapotheke war auch Tylenol, ein für seine Bedürfnisse bei weitem nicht ausreichendes Schmerzmittel, aber sonst hatten sie nichts. Sie gab ihm zwei Tabletten, dann noch eine dritte. Zuerst bereitete ihm das Schlucken etwas Mühe, und das beunruhigte sie; aber er sagte, das käme nur daher, daß sein Mund und seine Kehle so trocken waren. Als er die dritte Tablette nahm, schien es schon besser zu gehen.
    Er würde seinen Rucksack nicht tragen können; sie würden ihn zurücklassen müssen.
    Sie nahm einige Dinge aus dem eigenen Rucksack, um dafür die Reiseapotheke einpacken zu können, und schloß alle Klappen. Sie fuhr mit den Armen in die Schlaufen und schnallte sich den Riemen über die Brust.
    Sie hatte es eilig weiterzukommen. Sie brauchte keine Uhr, um zu wissen, daß ihre Zeit verrann.

63
    Kyle Barlowe war groß, aber keineswegs schwerfällig. Wenn er wollte, konnte er sich vorsichtig und leise bewe gen. Zehn Minuten, nachdem Harrison Denny Rogers getötet und seine Leiche hinuntergeworfen hatte, schob sich Barlowe vorsichtig aus dem Unterholz heraus, wo er sich versteckt hatte, und arbeitete sich quer über den Abhang bis zu einer Stelle vor, wo die Schatten wie gefrorene Tümpel der Nacht lagen. Aus den Schatten huschte er katzenartig zu einem mächtigen umgestürzten Baum und von dort zu einer schroffen Felsnase, die aus dem Hügel emporstach. Er bewegte sich weder bergauf noch bergab, nur seitwärts, von der Stelle weg, über die Harrison die Gewalt hatte und von der aus er die anderen in Schach hielt, freilich, wenn Barlowe Glück hatte, nicht für lange.
    Nach weiteren zehn Minuten - und jetzt ziemlich sicher, daß

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