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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ist, wie wir glauben, dann können sie unmöglich sehr schnell vorankommen. Wir müssen aufgeholt haben. Wir können es uns leisten, langsam zu gehen und vorsichtig zu sein, um sicherzustellen, daß wir nicht wieder in einen Hinterhalt laufen.«
    Grace war damit nicht einverstanden. »Nein, wenn sie in der Nähe sind, sollten wir uns beeilen und das hinter uns bringen.«
    Sie drehte sich um, machte einen Schritt, stolperte und stürzte.
    Barlowe hob sie auf. »Ich mache mir Sorgen um dich, Mutter.«
    Doch sie wehrte ab. »Ich bin schon in Ordnung.«
    Edna Vanoff meinte: »Mutter, du siehst ausgepumpt aus.«
    »Vielleicht sollten wir hier ein paar Minuten Rast machen«, sagte Burt.
    »Nein!« entschied Mutter Grace. Ihre blutunterlaufenen Augen fixierten sie, einen nach dem anderen. »Nicht ein paar Minuten. Nicht einmal eine Minute. Wir können nicht wagen, dem Jungen auch nur eine Sekunde mehr Zeit zu lassen, als unbedingt nötig ist. Ich habe euch doch gesagt, seine Kraft wächst jede Sekunde, die er lebt. Tausendmal hab' ich es euch gesagt!«
    »Aber Mutter«, widersprach Barlowe, »wenn dir etwas zustößt, können wir anderen nicht weiter.«
    Er zuckte unter ihrem durchdringenden Blick zusammen. Jetzt hatte ihre Stimme einen ganz besonderen Klang, den sie nur dann hatte, wenn sie eine Vision hatte, eine alles durchdringende Resonanz, die seine Knochen zum Vibrie ren brachte: »Wenn ich versage, müßt ihr weitergehen. Ihr werdet weitergehen. Es ist Blasphemie, wenn ihr sagt, daß eure Loyalität mir und nicht Gott gilt. Ihr werdet weitergehen, bis euch die Füße den Dienst versagen, bis ihr keinen Zentimeter weit mehr kriechen könnt. Und dann werdet ihr immer noch weitergehen, oder Gott wird kein Mitleid mit euch haben. Kein Mitleid und kein Erbarmen. Wenn ihr Ihn jetzt im Stich laßt, dann wird Er eure Seelen den Armeen der Hölle überantworten.«
    Manche Leute beeindruckte es nicht, wenn Mutter Grace so zu ihnen sprach, manche hörten dann nur das Keifen einer alten Närrin. Manche flohen, als würden sie bedroht. Manche lachten. Aber Kyle Barlowe war dann immer von tiefer Demut erfüllt; ihre Stimme schlug ihn in ihren Bann.
    Aber werde ich auch beeindruckt und gehorsam sein, wenn sie mir am Ende befiehlt, den Jungen zu töten? Oder werde ich mich der Gewalt widersetzen, die früher einmal mein Leben bestimmt hat? Falscher Gedanke.
    Sie verließen den Felsüberhang und folgten dem Hirschwechsel nach unten, Barlowe an der Spitze, dann Edna Va noff, Mutter Grace als dritte und Burt Tully als Nachhut. Das Heulen des Windes schien wie eine mächtige Dämonenstimme; sie erinnerte Barlowe ständig an die bösen Mächte, die sich selbst in diesem Augenblick verschworen, die Herrschaft über die Erde anzutreten.

66
    Christine begann zu glauben, daß sie die Wiese nie lebend verlassen würden.
    Das war schlimmer als ein Blizzard. Es war ein >Whiteout< und der Wind war so stark, daß man ihn in den Tropen als Hurrikan bezeichnet hätte; der Schnee peitschte in solcher Fülle und mit solcher Gewalt auf sie herunter, daß sie nur einen halben Meter weit sehen konnte. Die Welt war verschwunden; Christine bewegte sich in einer Alptraumlandschaft ohne Einzelheiten, in einer Welt, die einzig und allein aus Schnee und grauem Licht bestand. Sie konnte nirgends den Wald sehen. Nicht einmal Joey konnte sie sehen, obwohl er sich am Ende der Leine befand. Es war erschrekkend. Auch wenn das Licht grau und diffus war, war da noch ein alles durchdringender, greller Schein, der ihre Augen brennen ließ, und ihr wurde bewußt, daß sie in Gefahr war, schneeblind zu werden. Was würden sie tun, wenn sie sich ohne zu sehen ihren Weg durch die Wiese ertasten mußten und somit gezwungen waren, das nordöstliche En de des Tales mit bloßem Instinkt zu suchen? Sie kannte die Antwort: Sterben würden sie. Sie blieb alle dreißig Schritte stehen, um auf den Kompaß zu sehen, schützte ihn mit den behandschuhten Händen, und obwohl sie sich bemühte, sich auf einer geraden Linie zu bewegen, stellte sie mehrere Male fest, daß sie in die falsche Richtung gingen, und mußte dann immer wieder ihren Kurs korrigieren.
    Selbst wenn sie nicht die Orientierung verloren und sich verliefen, konnten sie hier draußen sterben, wenn sie sich nicht schnell genug bewegten; denn es war kälter, als sie dies für möglich gehalten hätte, so kalt, daß sie es nicht überrascht hätte, wenn sie plötzlich mitten im Schritt erstarrt wäre.
    Sie machte sich

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