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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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schreckliche Sorgen um Joey, aber der blieb auf den Füßen und trottete neben ihr her. Sein quasikatatonischer Zustand war unter diesen Umständen verrückterweise für ihn von Vorteil; nachdem er sich von der wirklichen Welt abgewandt und sie aus seinem Bewußtsein verdrängt hatte, hatten die Kälte und der Wind weniger Wirkung auf ihn, als sie das sonst vielleicht gehabt hätten. Dennoch würden die Elemente mit der Zeit ihren Tribut von ihm fordern. Sie mußte ihn bald von der Wiese in den vergleichsweisen Schutz des Waldes bringen, ob sie nun die Gegend erreichten, wo die Höhlen waren, oder nicht.
    Charlie ging es weniger gut als dem Jungen. Er stolperte häufig, ging einige Male in die Knie. Nach fünf Minuten lehnte er sich gelegentlich an Christine, um sich von ihr stützen zu lassen. Nach zehn Minuten brauchte er sie öfter als nur gelegentlich. Nach fünfzehn brauchte er ihre Stütze dauernd, und das verlangsamte ihr Vorankommen erheblich.
    Sie konnte weder ihm noch Joey sagen, daß sie bald Kurs auf die Wälder nehmen würde, weil der Wind jedes Ge spräch unmöglich machte. Wenn sie das Gesicht in den Wind drehte, wurden ihr die Worte in die Kehle zurückgetrieben, während sie sie aussprach, wandte sie sich von ihm ab, wurden ihr die Worte wie brüchiger Stoff zerfetzt, in sinnlose Silben zerstreut.
    Lange Minuten verlor sie Chewbacca ganz aus den Augen, und mehrere Male war sie sicher, sie würde den Hund nie wiedersehen, aber er tauchte immer wieder auf, mitgenommen und offensichtlich geschwächt, aber am Leben. Sein Fell war mit Eis verkrustet, und wenn er aus den wogenden Schneeströmen erschien, dann erweckte er den Ein druck eines Wiedergängers, der von der anderen Seite des Grabes wieder auftaucht.
    Der Wind fegte breite Flächen der Wiese fast vom Schnee frei, so daß er nur an manchen Stellen ein paar Zentimeter hoch liegenblieb; dafür türmten sich aber auch an den klein sten Vorsprüngen Wehen auf, füllten Gräben und Senken und erzeugten damit Fallen, die man weder sehen noch vermeiden konnte. Sie hatten Charlies Schneeschuhe mit seinem Rucksack zurückgelassen, zum Teil weil seine verletzte Schulter es ihm unmöglich machte, sie zu tragen, zum Teil auch, weil er nicht mehr sicher genug auf den Beinen war, um sie zu benutzen. Demzufolge konnten sie und Joey ihre Schneeschuhe nicht dazu benutzen, diese Wehen zu überqueren, weil sie einer Route folgen mußten, die auch für Charlie gangbar war. Manchmal fand sie sich plötzlich bis zu den Knien im Schnee, dann bis hinauf zu den Schenkeln, und spürte, wie sie noch tiefer einsank; sie mußte umkehren und einen Weg um die Senke finden, was nicht leicht war, weil sie ohnehin nicht wußte, in welche Richtung sie überhaupt ging. Dann trat sie wieder in Löcher, die der Schnee ausgefüllt hatte, und war ohne jede Warnung von einem Schritt zum nächsten hüfttief eingesunken.
    Sie fürchtete, daß es irgendwo in der Wiese wirklich tiefe Löcher geben könnte. So etwas war im Bergland nicht ungewöhnlich; sie hatten früher am Tag ein paar davon passiert, abgrundtiefe Löcher, manche uralt und mit vom Wasser geglätteten Kalkstein umgeben. Ein einziger falscher Schritt, der dazu führte, daß sie bis über den Kopf in den Schnee sank, und Charlie würde sie nicht mehr herausholen können, selbst wenn sie sich dabei nicht das Bein brach. Außerdem war sie auch keineswegs sicher, daß sie die anderen aus einer solchen Falle würde befreien können, falls sie hin einstürzten.
    Diese Gefahr bereitete ihr solche Sorge, daß sie stehenblieb und die Leine von ihrer Hüfte löste. Sie hatte Angst, Joey mit sich in einen Abgrund zu reißen. Sie wand sich die Leine um die rechte Hand; auf diese Weise konnte sie sie immer noch loslassen, wenn sie wirklich in eine Falle trat.
    Sie sagte sich, daß die Dinge, die man am meisten fürchtet, nie passieren, daß es immer etwas anderes ist, etwas völlig Unerwartetes — wie das zufällige Zusammentreffen mit Grace Spivey auf dem Parkplatz der South Coast Plaza am letzten Sonntag. Aber als sie dann mitten in der Wiese waren und Christine den Beschluß faßte, sie wieder zum östlichen Wald zurückzuführen, geschah das Schlimmste dennoch.
    Charlie hatte gerade neue Kraftreserven mobilisiert und ihren Arm losgelassen, als sie ihren Fuß in tiefen Schnee setzte und erkannte, daß sie auf genau das gestoßen war, was sie so fürchtete. Sie versuchte sich nach hinten zu werfen, hatte sich aber schon nach vorne

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