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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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sie seit ihrer Ankunft in Southampton recht erfolgreich überspielt hatte, hatten sie eingeholt. Sie musste dringend ein paar Stunden ruhen und war dankbar und froh über die Abgeschiedenheit ihrer Kabine. Sie schloss die Augen, und ganz allmählich, während das Schiff gleichmäßig summte, fiel die Anspannung der letzten 24 Stunden von ihr ab. Die erste Etappe ihrer Flucht war gelungen, und dafür musste sie dem lieben Gott dankbar sein. Zwar blieb ein dumpfer Zweifel, ob die Fluchtroute, die sie eingeschlagen hatte, die richtige war, aber nachdem das Schiff von England abgelegt hatte, fühlte sie sich an Bord der Titanic recht sicher.
    Irgendwann schlief sie ein und erwachte dadurch, dass die beruhigenden Fahrtgeräusche nicht mehr zu vernehmen waren. Beim Blick durch das Kajütfenster stellte sie fest, dass die Titanic bereits die andere Seite des Kanals erreicht hatte und vor der Stadt Cherbourg vor Anker lag.
    Die französische Stadt erstreckte sich entlang eines flachen Ufers vor dem Hintergrund eines purpurrot schimmernden Berges, gekrönt von einer viereckigen Festung. Die Sonne war noch nicht vollständig untergegangen, ihre Strahlen spiegelten sich in der sanften Dünung hinter den Wellenbrechern.
    Der Hafen von Cherbourg war wesentlich kleiner als der von Southampton, sodass die Titanic weit vor der Küste ankerte. Den Transport der Passagiere hatten mehrere Tenderboote übernommen. Sie sah, dass nur wenige von Bord gingen und weit mehr neue Passagiere mit den Tendern auf die Titanic gebracht wurden. In der voranschreitenden Dämmerung sah Gladys, wie sich die Lichter der Titanic auf der Meeresoberfläche spiegelten.
    Der Essensruf des Hornisten ertönte, und Gladys überlegte, ob sie sich die Mahlzeit vom Zimmerkellner servieren lassen sollte. Für einen Erste-Klasse-Passagier war es möglich, New York zu erreichen, ohne auch nur mit einem einzigen Mitreisenden sprechen zu müssen. Auch wenn sie nicht sehr erpicht darauf war, den elitären Zirkel näher kennenzulernen, entsprach es nicht ihrer Art, sich zu isolieren und von dem Geschehen an Bord auszuschließen. Die Mitreisenden boten ihr in dem Fall, dass ihre Feinde herausgefunden hatten, dass sie den Ozeanriesen bestiegen hatte, einen größeren Schutz. Angst vor hochgestellten Herrschaften hatte sie nicht. Wenn sie auch nicht bei jedem Thema mitreden konnte, war sie es aufgrund ihrer Schönheit gewohnt, sich in besseren Kreisen zu behaupten, zumal sie häufig Männer gegen gutes Geld zu Veranstaltungen der vornehmen Gesellschaft begleitet hatte.
    Als die Anker gelichtet waren und der Wechsel in der Vibration anzeigte, dass die Titanic wieder Fahrt aufgenommen hatte, erhob sie sich. Für den Speisesaal wählte sie ein graues, schlichtes Kostüm. Übersehen würde man sie dennoch nicht. Sie gehörte zu den Menschen, von denen das Sprichwort sagte, sie könnten Säcke tragen und sähen deshalb nicht weniger schön aus als im teuersten Kleid.
    Der Speisesaal der ersten Klasse, in elegantem Goldschnörkelstil gehalten, war riesig und bot Platz für mehrere Hundert Personen. Schwarzbefrackte Kellner mit weißen Handschuhen bedienten die Gäste und öffneten mit diskreter Geräuschlosigkeit Champagnerflaschen.
    Gladys wählte einen kleinen Tisch, an dem sie allein sitzen konnte. Der Kellner brachte ihr die Speisekarte, und sie entschied sich für Fisch.
    Es dauerte nicht lange, bis das begann, was immer geschah, wenn sie sich ohne Begleitung in der Öffentlichkeit aufhielt, die Männer – aber auch Frauen – wurden auf sie aufmerksam, und von den Nebentischen warf man Blicke auf sie. Von ihrer Begabung, Blicke zu ignorieren oder sie aufzufangen und gleichsam zurückzuwerfen, machte sie in der folgenden Stunde ausgiebig Gebrauch.
    Als sie den Speisesaal wieder verließ, hörte sie hinter sich eine Stimme, und als sie sich umdrehte, erblickte sie den deutschen Reporter Raubold. Er hatte seine Kamera ausgepackt und strahlte sie an.
    »Liebe Mrs. Appleton, darf ich für die Nachwelt festhalten, was für schöne Frauen die Titanic auf ihrer Jungfernfahrt begleiten? Darüber zu berichten ist ja der wahre Zweck meiner Reise.«
    An Fotografien hatte sie überhaupt nicht gedacht, vor allem nicht daran, dass Aufnahmen der illusteren Erste-Klasse-Passagiere so interessant sein könnten, dass man sie in den großen Zeitungen der Welt, also auch in London, veröffentlicht sehen könnte.
    »Auf keinen Fall, Mr. Raubold«, erwiderte Gladys und hob wie zur Abwehr die

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