Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
Vom Netzwerk:
Hände. »Ich sehe heute unvorteilhaft aus.«
    »Unvorteilhaft?« Raubold schüttelte den Kopf und war eine Weile sprachlos. »Aber nein! Wie können Sie so etwas sagen! Sie sehen einfach wundervoll aus!«
    War es wirklich so schlimm, wenn ihr Bild um die Welt ging, überlegte sie. Amerika war groß. War sie erst einmal in den Vereinigten Staaten, würde man sie bald vergessen, egal, ob ein Bild von ihr in der Zeitung stand. So lang war der Arm der Rächer sicher nicht, als dass sie nach Monaten oder Jahren in den Vereinigten Staaten ergriffen werden konnte.
    »Oh, Mrs. Appleton«, setzte Raubold nochmals an, und es klang wie resignierend; »Sie sind wahrhaftig verteufelt schön!«
    »So? Wirklich?«, fragte sie lächelnd.
    Das Kompliment dieses einfach wirkenden Menschen bedeutete ihr mehr als die geschnörkelte Höflichkeit eines faden Salonhelden. Eigentlich hatte sie nichts dagegen einzuwenden, fotografiert zu werden, und einen Augenblick rang sie mit sich selbst, ihm ihre Zustimmung zu geben; aber dann zwang sie ihre Eitelkeit nieder und sich selbst dazu, lieber vorsichtig zu sein.
    »Nein, dafür ist es noch viel zu früh. Das möchte ich nicht. Heute auf keinen Fall.«
    Raubold schaute verdutzt drein, da er mit ihrer nachhaltigen Weigerung anscheinend nicht gerechnet hatte. »Schade«, fügte er sich ihrem Willen. »Aber Sie versprechen mir, dass ich Sie bei anderer Gelegenheit ablichten darf, Mrs. Appleton.«
    »Versprochen«, antwortete Gladys, die sich sagte, dass ihr schon etwas einfallen würde, wie sie mit Raubolds Anliegen fertig werden würde.
    Raubold begleitete sie auf das Bootsdeck, wo die Sterne über der nur leicht gekräuselten Wasseroberfläche glitzerten.
    »Ich habe heute Nachmittag die Rettungsboote gezählt«, berichtete er. »Ich kam nur auf 16, aber man erzählte mir, es seien zusammen mit den Faltbooten 20. Einen der Offiziere habe ich gefragt, wie viele Personen in einem Boot Platz fänden. Er meinte 65, was mir eigentlich ziemlich viel erscheint, wenn man sich die Boote so betrachtet. 20 mal 65, das sind 1300. An Bord sind zusammen mit der Besatzung mehr als 2200 Personen.«
    »Mrs. Thayer hatte also wirklich recht«, seufzte Gladys. »Die Plätze in den Booten reichen nicht für alle Passagiere.«
    »Wir müssen uns trotzdem keine Sorgen machen«, erwiderte Raubold. »Die Titanic selbst ist das Rettungsboot, wurde mir gesagt. Angenommen, das Schiff gerät in einen Sturm – wo würden Sie sich sicherer fühlen, hier auf dem Schiff oder in einer dieser Nussschalen?«
    »Bei einem Sturm auf dem Schiff! Aber was passiert bei einer Havarie? Wenn das Schiff nach einer Kollision voll Wasser läuft?«
    »So schnell läuft ein Schiff wie die Titanic nicht voll. Der Offizier erklärte mir auch, die Rettungsboote seien gar nicht dafür gedacht, alle Passagiere aufzunehmen.«
    Gladys runzelte die Stirn. »Sondern?«
    »Rettungsboote sind dazu bestimmt, bei einer Kollision Transporte von Schiff zu Schiff oder im Falle eines Auf-Grund-Laufens von Schiff zu Land auszuführen. In beiden Fällen kann ein Boot mehrfach verwendet werden.«
    »Der Atlantik ist tief, auf Grund kann die Titanic hier nicht laufen«, sagte Gladys. »An eine Kollision mit einem anderen Schiff glaube ich auf dem riesigen Atlantik auch nicht. Aber Sie haben den Eisberg vergessen, von dem Sie mir berichtet haben. Was ist denn dann? Sollen wir etwa alle auf den Eisberg klettern?«
    Raubold lachte. »In dem Buch haben es die Überlebenden tatsächlich so gemacht. Aber keine Sorge, wir folgen einer viel befahrenen Route. Ein größeres Rettungsboot als ein Eisberg ist immer in der Nähe.«
    »Glauben Sie wirklich, wir werden Eisberge sehen?«, fragte Gladys. »Schließlich fahren wir nach New York und nicht zum Nordpol.«
    »Sie verraten erhebliche Unkenntnis, meine Liebe. Die Eisberge dringen in dieser Jahreszeit bis weit nach Süden vor. Der April ist ein kalter Monat, was das Meer angeht. Die Temperatur des Wassers kann auch in den gemäßigten Breiten unter den Gefrierpunkt sinken.«
    »Dann müssen wir alle gut aufpassen, damit wir die Eisberge rechtzeitig sehen und dem Kapitän Bescheid sagen können, damit er sie umfahren kann.«
    »Besser wäre es schon, wenn ein Eisberg gar nicht erst in Blickweite kommt«, meinte Raubold nachdenklich. »Die Titanic fährt mit einer Geschwindigkeit von mehr als 20 Knoten. Mit einem Schiff dieser Größe fährt man nicht mal eben um einen Eisberg herum.« Er warf einen Blick hinüber zu den

Weitere Kostenlose Bücher