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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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seiner Frau.
    »Komm, Liebes«, sagte er, »wir müssen uns darum kümmern, dass du ein trockenes Plätzchen in einem der Boote bekommst.«
    »Zuerst müssen wir uns um Gladys Appleton kümmern«, sagte Madeleine, »wenn wir ihr helfen können, müssen wir es tun.« Sie blickte Roger Carran in die Augen. »Ich glaube, ich weiß, von wem Sie sprechen«, sagte sie dann.
     
    *
     
    Gladys erstarrte, als sie Geräusche an der Tür vernahm. Ihre Peiniger kehrten zurück. Sie war zehn Minuten oder auch länger allein gewesen. Einige Zeit nach Nevil war auch Barrett gegangen, um selbst nach dem Zustand des Schiffes zu sehen, und außerdem wollte er, wie er geäußert hatte, nach dem Verbleib des Stewards forschen, der länger ausblieb, als zu erwarten gewesen war.
    Die Tür öffnete sich, und Barrett trat ein, schloss aber die Tür sofort wieder hinter sich zu. Er war allein zurückgekommen. Wo steckte Nevil? Sie hätte es gern gewusst, aber wegen des Knebels konnte sie ihren Peiniger nicht nach dem Verbleib seines Gehilfen befragen. War diesem die Sache zu heiß geworden? Hatte er sich davongemacht?
    Die Neigung der Kabine hatte sich weiter verstärkt, und Gladys ahnte, dass es nicht gut um die Titanic stand. Wenn es so weiterging, konnte es nicht mehr lange dauern, bis es zu einer Katastrophe kam. Sie zweifelte nicht mehr daran, dass das Schiff dabei war unterzugehen. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Das aber bedeutete, dass auch die Zeit gekommen war, in der sich ihr Schicksal erfüllen musste. Barrett musste zusehen, dass er sich in Sicherheit brachte. Die Vollstreckung ihres Todesurteils, das spürte sie, stand unmittelbar bevor. Es war dies wahrscheinlich sogar der einzige Grund, weswegen Barrett noch einmal in die Kabine zurückgekehrt war. Sie würde sterben, ging ihr durch den Sinn, jetzt, in dieser Nacht, die ihr wie die Schattenseite der vorangegangenen Nacht erschien, vom Gipfel des höchsten körperlichen und seelischen Glücks war sie in die Hölle der Verzweiflung, des Leidens und der Angst gestürzt.
    Lieber Gott, lass mich nicht so schrecklich leiden, betete sie still. Erspare mir weitere Qualen, sondern nimm mich schnell zu dir.
    Barrett trat hinter sie und entfernte den Schal von ihrem Mund.
    »Du hast versprochen nicht zu schreien«, sagte er.
    »Ich werde nicht schreien«, erwiderte sie. »Hast du es dir überlegt? Nimmst du mein Angebot an?«
    »Selbst wenn ich es annehmen wollte, es wäre zu spät dafür«, gab der Mörder zurück. »Ich bin oben an Deck gewesen, es ist nicht gut um das Schiff bestellt. Die Titanic wird untergehen.«
    »Es gibt doch die Rettungsboote?«, sagte Gladys, obwohl sie wusste, dass es auch um die Boote nicht gut stand.
    »Es sind nicht genügend Boote vorhanden«, antwortete Barrett, der vor sie getreten war. »Sie reichen nur für ein Drittel der Passagiere.«
    »Unglaublich.«
    »Unglaublich, aber wahr«, betonte ihr Peiniger. »Ich muss mich beeilen, um noch ein Plätzchen zu ergattern. Mehr als die Hälfte der Rettungsboote hat schon abgelegt. Mr. Murdoch, der erste Offizier ist ein ehrenwerter Mann. Er will mir einen Platz freihalten, so versprach er es mir eben, aber er meinte auch, ich müsse mich beeilen. Ich erklärte mich im Gegenzug bereit, ihm einen größeren Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, den seine Familie erhalten wird, sollte er selbst nicht gerettet werden.«
    »Das Schiff selbst ist das Rettungsboot«, sagte Gladys in dem verzweifelten Bemühen, Zeit zu gewinnen.
    »Ja, so sollte es eigentlich sein – doch die Narren von der White Star verstehen es leider nicht, sichere Schiffe zu bauen. Auf deutschen Schiffen gibt es durchgehende Schotten – doch diese Ignoranten haben es nicht für nötig gehalten, ein durchgehendes Schott einzuziehen. In unserer neuen Schifffahrtslinie wird es einen solchen Schlendrian nicht geben. Die deutschen Bestimmungen sehen vor, dass für jeden Passagier ein Platz im Rettungsboot zur Verfügung stehen muss. Die Engländer sind unfähig. Sie stellen es erneut unter Beweis. Sie verdienen es einfach nicht, die führende Rolle auf dem Nordatlantik zu spielen.«
    »Sicher wird sich das Schiff noch ein paar Stunden halten.«
    »Ganz im Gegenteil sieht es so aus, als würde es spätestens in einer Stunde von der Wasseroberfläche verschwunden sein.«
    »Aber die Schiffe, die der Titanic zu Hilfe eilen, sind doch sicher längst unterwegs«, beharrte Gladys, die verzweifelt nach jedem Strohhalm griff. »Bestimmt ist bald

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