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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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Herren, deren Bekanntschaft er im Verlauf der vergangenen Tage gemacht hatte, ganz unbeeindruckt von dem Trubel um sie herum beim Kartenspiel saßen. Es waren Archibald Butt, der Berater des amerikanischen Präsidenten, der Fabrikant Ryerson aus Chicago, der Schriftsteller Millet und der Archäologe und Weltenbummler Clarence Moore. Neben dem Tisch stand Oberst Gracie, ein anderer seiner Bekannten aus dem Speisesaal, und sah dem Spiel der Herren interessiert zu.
    »Kein Astor weit und breit«, sagte Raubold zu Carran, »und auch sonst niemand aus der illustren Runde der Teilnehmer an der Séance.«
    Sie stiegen wieder zum Bootsdeck hinauf. Es war eine Nacht der funkelnden Sterne, nirgendwo war noch Eis zu sehen. Eine Gruppe von Passagieren, Frauen und Kindern, war dabei, ein Rettungsboot zu besteigen. Kapitän Smith auf der Backbordseite beaufsichtigte energisch und konzentriert das Klarmachen und Ablegen der Boote und brüllte immer wieder sein »Frauen und Kinder zuerst« in das Megafon.
    Raubold beobachtete, wie die Männer zurücktraten und die Frauen hinuntergingen, um vom nächsten Deck aus das Boot zu besteigen. Einige Frauen protestierten gegen das Getrenntwerden von ihren Männern, aber teils durch Überredung, teils mit leichter Gewalt waren sie schließlich bereit, voneinander zu scheiden und sich zum unteren Deck leiten zu lassen. Lightoller ging zum nächsten Boot und winkte weitere Frauen und Kinder herbei. Obwohl schon mehrere Boote sicher auf dem schwarzen Spiegel der See gelandet waren, stieß seine Aufforderung, die Boote zu besteigen, nach wie vor bei vielen Passagieren, die den Ernst der Lage offenbar noch immer nicht vollständig durchschauten, auf Zurückhaltung. Die Leute wissen nicht, was wirklich los ist und welches Glück sie haben, dachte Raubold, dabei ist es ihre einzige Chance. Sie wechselten zur Steuerbordseite, und dort erblickte Raubold ein paar bekannte Gestalten.
    »Sehen Sie! Da ist dieser Faussett samt Anhang«, sagte er, und im nächsten Moment erkannte auch Carran den unheimlichen Mann mit seinen zwei Frauen im Schlepptau. Sie traten sofort auf die kleine Gruppe zu.
    »Hat jemand von Ihnen Mrs. Appleton gesehen?«, fragte Carran in die Runde.
    Faussett starrte ihn abwesend an, als hätte er die Frage nicht begriffen, und Laura Faussett und Victoria Hoyt betrachteten ihn feindselig.
    »Verfügen Sie nicht über hellseherische Fähigkeiten«, fügte Carran zu Faussett hinzu. »Können Sie mir nicht wenigstens sagen, wo ich nach ihr suchen muss?«
    »Wahrscheinlich geht sie irgendwo ihrer Arbeit nach«, mischte Victoria Hoyt sich ein.
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Carran.
    »Nun, es gibt sehr viele reiche Herren an Bord, denen sie ihre Dienste anbieten kann«, gab Victoria Hoyt zurück. »Im Bett eines dieser Herren werden Sie die Dame finden.«
    »Sie sind eine unverschämte Person!«, herrschte Carran die Neiderin an.
    »Das sagen ausgerechnet Sie!«, schaltete sich Laura Faussett ein. »Sie sind doch selbst einer ihrer Kunden!« Ihre Augen schleuderten Blitze.
    Raubold ergriff Carran am Arm.
    »Kommen Sie, Carran, wir haben keine Zeit, uns mit diesen Leuten aufzuhalten.«
    »Einen Moment noch!«, sagte dieser und wandte sich an Victoria Hoyt. »Eines werden Sie mir noch sagen, Madam! Wer hat Ihnen von dem Tod des früheren Geliebten von Mrs. Appleton erzählt? Von wem haben Sie erfahren, dass er tot ist? Erzählen Sie mir nicht, der Geist des Toten sei über Sie gekommen!«
    Die Züge von Victoria Hoyt verfinsterten sich noch deutlicher.
    »Und doch war es so.«
    »Sie wusste es von mir«, sagte Faussett, dem offenbar daran lag, die Diskussion zu beenden.
    »Und woher haben Sie die Information?«
    »Von Colonel Astor. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe!«
    »Die Damen bitte ins Boot!«, rief in diesem Moment einer der Matrosen. »Steigen Sie bitte ein!«
    Der erste Offizier Murdoch tauchte neben ihnen auf.
    Faussett wandte sich an Murdoch. »Darf ich mich dazugesellen?«
    Murdoch blickte sich um. Andere Frauen und Kinder waren im Moment nicht in der Nähe. »Meinetwegen! Los! Steigen Sie mit ein!«
    Faussett ließ sich das nicht zweimal sagen, sondern folgte augenblicklich den beiden Damen, um gemeinsam mit ihnen in das Boot zu klettern.
    »Es ist noch Platz«, sagte Murdoch zu Raubold und Carran. »Sie können auch mit hinein!«
    Carran wandte sich augenblicklich ab, und natürlich sprang auch Raubold nicht in das Boot.
    »Nein«, sagte er in einem so entschieden knappen

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