Todesengel (Gesamtausgabe)
das abtrünnige Mitglied getötet?“, fragte Hansen ungläubig und Albers spottete: „Mitglied? Wohl eher ohne als mit Glied!“
Die Kollegen sahen ihn einen Augenblick ratlos an, begriffen dann das Wortspiel und fingen bis auf Schieferbein herzhaft zu lachen an. Und sogar der Kriminalrat schien das Donnerwetter im Polizeipräsidium langsam verkraftet zu haben, grinste übers ganze Gesicht und verteilte die Aufgaben für den restlichen Tag, ehe er die Hauptkommissarin zu einem vertraulichen Gespräch in sein Zimmer bat. Er musste unbedingt um Verständnis für ihre Entmachtung werben, wenn er nicht riskieren wollte, dass sie frustriert Sand ins Getriebe streute und die weiteren Ermittlungen behinderte...
Die von Hansen angeordnete Veröffentlichung der Phantomzeichnung brachte die kriminalpolizeiliche Arbeit nach Tagen des Stillstandes wieder in Gang, wenn auch anders, als es sich der Kriminalrat gedacht hatte. Tagtäglich meldeten sich Bürger, die Stein und Bein schworen, die vermeintliche Täterin zu kennen, doch zeigte sich einmal mehr, dass der Aufruf an die Bevölkerung, bei der Verbrecherjagd zu helfen, selten zu Erfolgen führt, dafür aber unzählige Denunzianten auf den Plan ruft, die es einem verhassten Nachbarn oder anderen unliebsamen Zeitgenossen endlich einmal zeigen wollen und die Ermittlungen eher erschweren als erleichtern.
Fünf Wochen nach dem Mord im Astor, an einem bitterkalten Dezembermorgen, kam das Team von Hansen nach mehrtägiger Pause wieder zur Lagebesprechung zusammen und der wegen seiner Erfolglosigkeit sichtlich gealterte Kriminalrat ließ sich von seinen Leuten über den aktuellen Stand der Ermittlungen informieren. Was er zu hören bekam, machte ihn noch mutloser, als er ohnehin schon war, weil es immer noch keinen verwertbaren Hinweis auf die Begleiterin von Otto Berger gab und zu befürchten war, dass der bizarre Fall zu den wenigen gehören würde, die für immer und ewig ungelöst blieben.
Mitten in die Besprechung platzte die Meldung von einem Leichenfund im Hafengelände und als die Beamten wenig später am Tatort eintrafen und das grässlich verstümmelte Mordopfer anhand seiner Personalpapiere als einen unter Korruptionsverdacht stehenden hohen Beamten der Innenbehörde identifizierten, war Hansen endgültig klar, dass er verloren hatte. Das Interesse der Medien würde sich nach allen Erfahrungen sofort auf die neue Bluttat konzentrieren, der Chef des LKA eine Sonderkommission unter Einbeziehung seiner Leute bilden und die Akte Berger langsam Staub ansetzen.
Vielleicht geriet die Mörderin des Berliners trotzdem irgendwann in die Fänge der Polizei, doch dann war er bestimmt schon lange pensioniert und diese Erkenntnis stimmte ihn noch trauriger als das Zerwürfnis mit Gerda Schieferbein...
4.
Engholm kannte die Frau erst seit zwei Tagen und eigentlich war es an diesem kühlen Märzabend für ein Techtelmechtel im Gras des Ruhwaldparks, dessen Konturen in der Dämmerung langsam verschwammen, noch zu früh.
Aber durfte er sich die einmalige Chance, die sich ihm bot, entgehen lassen? Die zauberhafte Orientalin war ihm zufällig in der Nähe des Alexanderplatzes über den Weg gelaufen, hatte ihn nach dem Weg zum Zeughaus gefragt und sie waren schnell ins Gespräch gekommen, erst beim Schlendern über die Schlossbrücke hin zum Ziel der jungen Frau und dann im Opernpalais, dem sie spontan den Vorzug vor dem geplanten Museumsbesuch gegeben hatte.
Zu Besuch sei sie in Berlin, verriet sie ihm bei Kaffee und Kuchen, für zwei Wochen und sie wohne in dieser Zeit in einer netten, nicht allzu teuren Pension am Spandauer Damm im Bezirk Charlottenburg. Zum Schluss hatten sie sich für heute zu einem Spaziergang verabredet und er hatte hin und her überlegt, ob er seiner Frau erzählen sollte, dass er vielleicht später als üblich nach Hause kommen würde, schließlich aber darauf verzichtet und nur einigen Kollegen gegenüber angedeutet, dass er sich mit einem für drei Tage in Berlin weilenden alten Schulfreund treffen wolle.
„Lass dich einfach gehen!“, empfahl ihm die nach ihren Angaben in der Nähe von Istanbul lebende Frau, die ihn vor ihrer Pension mit einem bezaubernden Lächeln begrüßt, aber ihre Zurückhaltung erst aufgegeben hatte, als sie zur nahen Grünanlage gekommen waren. Er zitterte vor Erregung, ließ sich von Fatima, wie die Unbekannte sich nannte, bereitwillig entkleiden und lag schließlich, abgesehen vom Kondom, das sie ihm übergestreift hatte,
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