Todesengel (Gesamtausgabe)
Zwei Tage vor Mirjams Treffen mit der Frauengruppe rief er seine Geliebte in ihrer Wohnung an, erkundigte sich nach ihrem Befinden und hörte geduldig zu, als sie sich über ihren Hausarrest erregte und damit drohte, alles hinzuschmeißen, wenn sie sich nicht bald wieder frei bewegen könnte. Dann fragte er sie, obwohl das Telefonat abgehört wurde, ob sie ihn noch liebe und sie versicherte ihm unter Tränen so glaubhaft, dass es in ihrem Leben keinen anderen Mann mehr geben werde, dass er alle Regeln der Polizeiarbeit über Bord warf und entgegen seinem kriminalistischen Spürsinn darauf verzichtete, in der Kneipe der Selbsthilfegruppe zusätzlich zu den Mikrofonen, die an Mirjams Körper angebracht sein würden, versteckte Kameras installieren zu lassen…
51.
Debbie Meier war erfahren genug, um auf unvorhergesehene Situationen angemessen reagieren zu können und so lenkte sie die Freundinnen, als sie sich kurz vor dem Treffen mit Mirjam über den Kassiber und das weitere Vorgehen der Gruppe in die Haare kriegten, mit einer humorigen Bemerkung ab, ehe sie auf die einzelnen Argumente einging und die hitzige Diskussion zusammenzufassen versuchte.
Sie führte aus, sich noch keine abschließende Meinung gebildet zu haben, sich aber nicht vorstellen zu können, dass von der Polizistin zurzeit eine Gefahr ausgehe. Fest stehe aber, dass ihnen im Gespräch mit ihr keine Fehler unterlaufen dürften, schon wegen der mithörenden Spitzel im Landeskriminalamt und sich deshalb alle an die Regieanweisungen halten müssten. Die Leitwölfin der Jungfräulichen Rache sah sich in der Runde um, und bemerkte zunächst keinen Widerspruch, doch dann meldete sich Edeltraut zu Wort und stellte alles wieder in Frage. Sie empfinde, führte die Psychologin aus, das Diktat der Polizistin als Erpressung und sei nicht gewillt, diesem Druck ohne Weiteres nachzugeben.
Debbie bat die anderen Frauen, sich zu Edeltrauts Meinung zu positionieren, doch die zuckten nur mit den Schultern und so übernahm sie als Gruppensprecherin es wohl oder übel, die Jüngste im Bunde auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Sie habe großes Verständnis für ihre Gefühle, doch sei eine Fortsetzung des Rachefeldzuges angesichts der polizeilichen Erkenntnisse ohnehin mit viel zu hohen Risiken behaftet und komme deshalb unabhängig von Mirjams Bedingungen nicht in Frage. Was die zweite Auflage der Kriminalbeamtin angehe, seien dagegen noch nicht alle Messen gesungen, doch halte sie es für denkbar, auch dieser nachzukommen, wenn sich die Polizistin nicht noch als Agent Provokateur entpuppe. Im Übrigen werde der Brief, den sie dem LKA zu schreiben gedenke, dafür sorgen, dass die Bäume für Mirjam nicht in den Himmel wachsen.
Edeltraut schien ihrem Gesichtsausdruck nach immer noch nicht überzeugt zu sein, doch darauf konnte Debbie kurz vor dem Eintreffen des Gastes keine Rücksicht nehmen und schloss deshalb die Sitzung mit einigen Worten, die versöhnlich stimmen sollten, ohne ihre Position noch einmal aufzuweichen.
Vierzig Minuten später, die Wogen hatten sich wieder geglättet, begrüßte Debbie die Polizistin, geleitete sie zum Tisch, an dem die Frauen saßen und überreichte ihr einen Brief, den die junge Frau erst überflog, dann ernsthaft studierte und dabei keine Miene verzog:
Liebe Mirjam, vielen Dank für deine Warnung! Wir werden, wenn auch schweren Herzens, auf deine Bedingungen eingehen! Jetzt aber zu unserem Gespräch: Wir wollen mit deiner Hilfe ein Bild der Gruppe entwerfen, das uns nachhaltig vor den Nachstellungen deiner Kollegen schützt! Trage nach einer Vorstellungsrunde zu Beginn der Unterredung bitte vor, was dein Chef gern von dir hören möchte und lasse uns dann gemeinsam versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass wir ein Verein altruistischer, überaus harmloser Frauen sind. Wenn du einverstanden bist, unterschreibe bitte diese Zeilen, ansonsten müsstest du uns leider wieder verlassen!
Deine Racheengel
Mirjam ließ sich mit ihrer Unterschrift viel Zeit und Debbie befürchtete schon, dass die Polizistin ein Haar in der Suppe gefunden haben könnte, doch dann griff sie nach dem ihr hingehaltenen Kugelschreiber und setzte ihren Namen unter den Text, formte spaßeshalber mit ihren Fingern das V-Zeichen und endlich fiel Debbie ein Stein vom Herzen. Mit diesem patenten Mädchen ließ es sich gut zusammenarbeiten und eigentlich war es schade, dass alles bald vorbei sein würde. Sie goss sich und den anderen Kaffee nach, sammelte sich
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