Todesengel
Angela.
»Ist schon in Ordnung«, sagte David. »Ich bin auch in ›Urlaub‹ geschickt worden, wie Sie das so schön nennen.«
»Das gibt’s doch nicht!« rief Calhoun. »Zum Glück habe ich ein ganzes Dutzend Donuts gekauft.« Die Anwesenheit von Calhoun bewirkte wahre Wunder. Das gemeinsame Kaffeetrinken tat David und Angela so gut, daß sie sogar über die alten Polizei-Geschichten lachen mußten, die ihr Gast zum Besten gab. Da die Stimmung sich etwas gebessert hatte, schlug Calhoun vor, sich noch ein wenig an die Arbeit zu machen. »Dann wollen wir mal loslegen«, sagte er und rieb sich erwartungsvoll die Hände. »Wir sind der Auflösung unseres Rätsels schon ein ganzes Stückchen näher gekommen. Jetzt müssen wir nur noch jemanden mit einer beschädigten Tätowierung ausfindig machen. Und das sollte in einer Kleinstadt eigentlich nicht allzu schwierig sein.«
»Die Sache hat allerdings einen Haken«, bemerkte David. »Da wir inzwischen arbeitslos sind, können wir es uns nicht mehr leisten, Sie weiterhin zu bezahlen.«
»Bitte, sagen Sie das nicht«, entgegnete Calhoun. »Die Geschichte wird doch gerade erst richtig spannend.«
»Es tut uns ja leid«, erwiderte David. »Aber wir sind nicht nur bald völlig pleite - wir werden wahrscheinlich auch aus Bartlet wegziehen. Und wenn wir erst mal in einer anderen Stadt wohnen, wird uns dieser grausige Mordfall nicht mehr interessieren - genauso wie viele andere Dinge auch.«
»Einen Moment mal«, unterbrach ihn Calhoun. »Sie sollten jetzt keine voreiligen Entscheidungen treffen. Ich möchte Ihnen nämlich einen Vorschlag machen: Ich arbeite umsonst für Sie weiter. Wie finden Sie das? Für mich stehen in diesem Fall auch mein Ruf und meine Ehre auf dem Spiel. Darüber hinaus könnten wir vielleicht gleichzeitig einem Vergewaltiger das Handwerk legen.«
»Sie sind wirklich großzügig«, erwiderte David und wollte eigentlich noch mehr sagen, doch Calhoun schnitt ihm das Wort ab.
»Ich habe bereits mit der nächsten Phase der Ermittlungen begonnen«, fuhr er fort. »Wie mir Carleton, der Wirt, erzählt hat, sind etliche Polizeibeamte aus Bartlet tätowiert, unter anderem auch Robertson. Deshalb habe ich ihm noch einmal einen Besuch abgestattet und ein wenig mit ihm geplaudert. Bei dieser Gelegenheit hat er mir bereitwillig seine Tätowierung vorgeführt - auf die er übrigens sehr stolz ist. Auf seiner Brust prangt ein weißköpfiger Seeadler, der ein Spruchband mit der Aufschrift ›In God We Trust‹ im Schnabel hält. Die Tätowierung war allerdings in einem astreinen Zustand - leider. Oder auch zum Glück, je nachdem, wie man die Sache sieht. Zumindest habe ich die Gelegenheit genutzt und Robertson auch noch über den letzten Tag im Leben von Dr. Hodges ausgefragt. Er hat die Aussage von Madeline Gannon bestätigt: Er hat gesagt, daß Hodges sich eigentlich mit ihm treffen wollte, doch dann habe er überraschend abgesagt. Deshalb glaube ich, daß wir diese Spur unbedingt weiterverfolgen sollten. Vielleicht ist Clara Hodges der Schlüssel zur Lösung des Rätsels. Als Hodges ermordet wurde, haben die beiden zwar nicht mehr zusammengelebt, aber sie haben trotzdem noch oft miteinander geredet. Ich komme sogar allmählich zu dem Schluß, daß sich das Verhältnis der beiden wieder verbessert hatte, seit sie getrennt lebten. Jedenfalls habe ich Clara heute morgen angerufen und ihr unseren Besuch angekündigt.« Calhoun warf Angela einen fragenden Blick zu.
»Ich dachte, sie lebt inzwischen in Boston«, sagte David. »Ja, das tut sie auch«, erwiderte Calhoun. »Ich hatte gedacht, daß Angela und ich - jetzt natürlich wir drei - zu ihr hinfahren könnten.«
»Ich bin immer noch davon überzeugt, daß Angela und ich uns diese Geschichte aus dem Kopf schlagen sollten - und jetzt erst recht, nach allem, was passiert ist. Wenn Sie trotzdem mit Ihren Ermittlungen fortfahren wollen, ist das allein Ihre Sache.«
»Einen Moment, David«, schaltete Angela sich ein. »Wir sollten nichts überstürzen. Es könnte doch zum Beispiel sein, daß Clara Hodges uns etwas über die Patienten erzählen kann, die seltsamerweise einer nach dem anderen gestorben sind. Gestern abend schien dich dieser Aspekt jedenfalls brennend zu interessieren.«
»Das stimmt«, gab David zu. Es interessierte ihn wirklich, ob es zwischen den Patienten von Hodges und seinen eigenen irgendwelche Gemeinsamkeiten gab. Aber er war wiederum nicht so neugierig, daß er deshalb gleich nach Boston
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