Todesengel
ihn also von unserem Dokumentationszentrum fern. Das sollte wohl nicht so schwer sein, wenn die CMV ihn gefeuert hat. Was war denn der Grund für seine Kündigung?«
»Was seine Produktivität anging, hat er sein Soll nicht im geringsten erfüllt«, erklärte Helen. »Dafür hat er bei den Krankenhauseinweisungen einen Rekord aufgestellt und ständig überflüssige und teure Labortests und Untersuchen angeordnet.«
»Dann werden wir ihn also nicht vermissen«, stellte Harold fest. »Es klingt ja fast so, als sollte ich mich bei Kelley mit einer Flasche schottischen Whiskeys dafür bedanken, daß er uns den Mann vom Hals geschafft hat.«
»Aber diese Familie macht mir wirklich Sorgen«, sagte Helen erneut. »Gestern kamen die beiden ins Krankenhaus, um ihre Tochter aus dem Bett zu reißen und mit nach Hause zu nehmen; dabei hat das Mädchen Mukoviszidose. Sie haben sie gegen den Rat des Kinderarztes mitgenommen.«
»Das klingt allerdings seltsam«, bemerkte Harold. »Wie geht es dem Kind? Das ist ja im Moment wohl die wichtigste Frage, denke ich.«
»Dem Mädchen geht es gut«, antwortete Helen. »Ich habe gerade mit dem Kinderarzt gesprochen. Sie ist schon wieder quicklebendig.«
»Wo liegt dann das Problem?« fragte Harold.
Mit den Sozialversicherungsnummern und den Geburtsdaten in der Tasche fuhr Angela nach Boston. Sie hatte Robert Scali am Morgen angerufen und ihm ihren Besuch angekündigt. Warum sie ihn treffen wollte, hatte sie ihm allerdings noch nicht erzählt.
Sie traf Robert am Central Square in Cambridge in einem der zahlreichen indischen Restaurants. Als Angela dort ankam, erhob Robert sich von seinem Platz. Sie begrüßte ihren alten Freund mit einem Küßchen auf die Wange und kam direkt zur Sache. Sie erzählte Robert, was sie von ihm wollte und überreichte ihm ihre Liste. Er warf einen Blick auf das Papier.
»Du möchtest also, daß ich dir ein Computerprofil über diese Leute liefere?« fragte er und beugte sich zu Angela herüber. »Und ich hatte schon gehofft, du hättest mich aus persönlichen Gründen angerufen. Ich dachte, du wärst gekommen, um mich zu sehen.« Er lächelte sie freundlich an. »Aber ich freue mich trotzdem, dich zu sehen«, sagte er. »Ganz egal, aus welchem Grund du gekommen bist. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, tue ich das gern. Was soll ich rausfinden?«
Angela erzählte Robert, daß sie gehört habe, ein Computer könne jede Menge Informationen über eine Person ausspucken, wenn man ihn mit deren Sozialversicherungsnummern und Geburtsdatum füttere. Robert lachte jetzt in seiner gemütlichen Art, an die Angela sich noch so lebhaft erinnern konnte. »Du kannst dir wahrscheinlich kaum vorstellen, was man damit alles über einen Menschen in Erfahrung bringen kann«, sagte er. »Wenn ich mich ernsthaft dahinterklemmen würde, könnte ich dir zum Beispiel sämtliche Geschäfte aufzeigen, die Bill Clinton im vergangenen Jahr mit seiner Visa-Card getätigt hat.«
»Ich möchte, daß du diese Personen hier durchleuchtest. Mich interessieren sämtliche Daten, an die du irgendwie herankommen kannst«, sagte Angela und klopfte dabei auf die Liste. »Kannst du vielleicht etwas genauer beschreiben, an welcher Art von Informationen du interessiert bist?« fragte Robert.
»Nein«, entgegnete Angela. »Das ist schwierig. Ich brauche einfach jede Information, die du besorgen kannst. Ein Freund von mir hat das Herumstöbern in der Vergangenheit dieser Menschen mit einem Angelausflug verglichen.«
»Wer ist denn dieser Freund?« fragte Robert. »Eigentlich ist er gar kein Freund«, erwiderte Angela. »Aber ich mag ihn inzwischen sehr gerne. Er heißt Phil Calhoun, und er ist ein pensionierter Polizeibeamter, der jetzt als Privatdetektiv arbeitet. David und ich haben ihn engagiert.«
Angela skizzierte Robert in wenigen Worten, worum es ging. Zunächst erzählte sie von der Leiche, die man in ihrem Keller gefunden hatte, dann beschrieb sie die faszinierende, kriminologische Puzzle-Arbeit, die sie darauf gebracht hatte, daß der Täter eine Tätowierung haben mußte, und schließlich beendete sie ihre Zusammenfassung mit der Theorie, daß irgendein Wahnsinniger im Krankenhaus Patienten töte, um ein irrsinniges Euthanasie-Programm zu verwirklichen.
»Meine Güte«, entfuhr es Robert, als Angela ihre Geschichte beendet hatte. »Du zerstörst meine ganzen Vorstellungen von einem friedvollen Landleben.«
»Es ist in Wirklichkeit ein einziger Alptraum«, gestand
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