Todesengel
weiterem ungebetenen Besuch geschützt zu sein, hatte David Rusty mit nach unten ins Eßzimmer genommen. David vertraute auf das sensible Gehör des Hundes, doch vorsichtshalber behielt er auch noch das Gewehr in Reichweite.
»Weißt du, was ich glaube«, begann Angela, während David den Umschlag öffnete, in dem sich die medizinischen Dossiers der Verdächtigen befanden. »Ich glaube, daß der Mann, der vorhin hier eingedrungen ist, derselbe ist, der Hodges umgebracht und die Krankenhaus-Patienten auf dem Gewissen hat. Je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir. Nur so macht das alles einen Sinn.«
»Der Meinung bin ich auch«, stimmte David ihr zu. »Und ich glaube, daß Clyde Devonshire auf unserer Kandidatenliste ganz oben steht. Lies dir mal das hier durch.«
David reichte Angela die medizinischen Unterlagen über Devonshire. Angela überflog den Text und war entsetzt. »Ach du meine Güte«, sagte sie, als sie fast am Ende angelangt war. »Er ist ja HIV-positiv.« David nickte. »Das bedeutet, daß er selbst an einer potentiell tödlich verlaufenden Krankheit leidet. Ich glaube, wir haben es hier in der Tat mit einem ernsthaft Verdächtigen zu tun, vor allem, wenn man die Tatsache, daß er HIV-positiv ist, mit all den anderen Fakten in Verbindung bringt. Denk zum Beispiel mal daran, daß er wiederholt vor dem Haus von Jack Kevorkian festgenommen wurde. Er interessiert sich offenbar brennend dafür, wie man Leute beim Selbstmord unterstützt. Und wer weiß, ob dieses Interesse nicht eines Tages in die wahnsinnige Idee umgeschlagen ist, ein Euthanasie-Programm in die Tat umzusetzen? Er ist ein ausgebildeter Krankenpfleger und verfügt somit über die notwendigen medizinischen Fachkenntnisse. Außerdem arbeitet er im Krankenhaus und hat ständigen Zugang zu den Patienten. Und wenn ihn all das noch nicht genug belasten sollte - er hat ja zudem auch noch eine Vergewaltigung auf dem Kerbholz. Es ist durchaus möglich, daß er der maskierte Triebtäter ist.«
Angela nickte. »Das Problem ist nur, das die ganze Geschichte auf bloßen Vermutungen beruht«, sagte sie. »Weißt du eigentlich, wie Clyde Devonshire aussieht? Würdest du ihn überhaupt erkennen?«
»Nein«, gestand David.
»Ich frage mich, ob ich ihn anhand seiner Größe oder an seiner Stimme wiedererkennen würde«, sagte Angela. »Ich habe da so meine Zweifel. Wahrscheinlich wäre ich niemals absolut sicher.«
»Sehen wir uns den nächsten an«, schlug David vor. »Der nächste Kandidat ist Werner van Slyke. Sieh dir mal an, was über ihn alles in den medizinischen Unterlagen steht.« David reichte Angela das Dossier über van Slyke. Es war erheblich umfangreicher als das von Devonshire.
»Du lieber Himmel«, staunte Angela, als sie die Papiere überflogen hatte. »Was die Leute für Macken haben, ohne daß man es weiß.«
»Glaubst du, er könnte der Täter sein?« fragte David. »Seine psychische Krankengeschichte ist ziemlich bemerkenswert«, antwortete Angela. »Aber ich glaube nicht, daß er der Täter ist. Die schizoid-affektiven Funktionsstörungen und seine Manie und Paranoia müssen nicht unbedingt zu einem antisozialen, psychotischen Verhalten führen.«
»Aber man muß auch nicht gezwungenermaßen ein antisoziales Verhalten an den Tag legen, um irrationale Gedanken über Euthanasie zu entwickeln und in die Tat umzusetzen«, entgegnete David.
»Da hast du recht«, sagte Angela. »Aber ebensowenig ist es so, daß psychisch Kranke unbedingt kriminell werden müssen. Wenn van Slyke ein langes Vorstrafenregister hätte oder wenn er regelmäßig durch Gewalttaten aufgefallen wäre, wäre das etwas anderes. Da das aber nicht der Fall ist, glaube ich, daß wir ihn auf unserer Liste der Tatverdächtigen nicht ganz nach oben setzen sollten. Außerdem mag er ja über atomgetriebene U-Boote Bescheid wissen - medizinische Fachkenntnisse besitzt er dadurch aber noch lange nicht. Und wie sollte er es ohne medizinische Ausbildung geschafft haben, einen Patienten nach dem anderen mit einer derart geheimnisvollen Methode umzubringen, daß nicht einmal du sie aufzudecken imstande bist?«
»Stimmt, das weiß ich auch nicht«, sagte David. »Aber jetzt sieh dir mal an, was für Unterlagen Robert mir heute noch über ihn gegeben hat.«
David reichte Angela die Liste, auf der die zahlreichen Bankkonten, über die van Slyke in Albany und Boston verfügte, aufgeführt waren.
»Wo, um Himmels willen, hat er das ganze Geld bloß her?«
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