Todesengel
herausfordernd an. »Irgend etwas stimmt nicht in diesem Krankenhaus«, sagte er. »Und ich habe keine Lust, meinen Kopf dafür hinzuhalten!«
»Dr. Portland«, erwiderte Harold zögernd. »Sie sehen krank aus. Vielleicht sollten Sie selbst einmal einen Arzt aufsuchen.«
Dr. Portland warf seinen Kopf in den Nacken und lachte laut. Doch sein Lachen klang unecht und gekünstelt; der Lachanfall endete genauso abrupt, wie er angefangen hatte. »Vielleicht haben Sie recht«, sagte er. »Ich könnte ja mal ärztlichen Rat suchen.« Dann drehte er sich um und verließ den Raum.
Harold war wie gelähmt. Er starrte Tom an, als ob er darauf wartete, daß er aufwachen und ihm das Verhalten von Dr. Portland erklären würde. Daß Ärzte auch mal emotional auf den Zustand eines ihrer Patienten reagierten - dafür hatte Harold Verständnis. Doch Portland hatte einen völlig verstörten Eindruck gemacht. Ein letztes Mal versuchte Harold, Tom irgendeine Reaktion zu entlocken. Als er einsehen mußte, daß seine Mühe vergeblich war, wandte er sich vom Bett ab und verließ ebenfalls den Raum. Argwöhnisch sah er sich nach Dr. Portland um. Als er ihn nirgends entdecken konnte, eilte Harold schnurstracks in das Büro von Helen Beaton. Dort warteten bereits Caldwell und Kelley auf ihn. »Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie alle Dr. Portland kennen?« fragte Harold, während er sich setzte. Alle Anwesenden nickten, und Kelley sagte: »Er ist Orthopäde und einer unserer CMV-Ärzte.«
»Ich hatte gerade eine sehr seltsame und beunruhigende Begegnung mit ihm«, fuhr Harold fort. »Auf meinem Weg hierher habe ich kurz bei meinem Mandanten Tom Baringer vorbeigeschaut. Er ist sehr krank und liegt in Zimmer 209. Dr. Portland saß versteckt in einer Ecke des dunklen Raumes. Ich hatte ihn nicht gesehen, als ich hineinging. Als er mich dann ansprach, benahm er sich sehr komisch, beinahe aggressiv. Ich kann mir ja vorstellen, daß er verzweifelt ist, weil es Tom so schlecht geht, aber dann hat er doch glatt gesagt, daß irgend etwas mit diesem Krankenhaus nicht stimme und daß er nicht bereit sei, seinen Kopf dafür hinzuhalten.«
»Ich glaube, daß er wegen der vielen Überstunden vollkommen überlastet ist«, sagte Kelley. »Uns fehlt zur Zeit mindestens ein orthopädischer Chirurg. Und unsere Bemühungen, einen weiteren Orthopäden einzustellen, sind bisher leider erfolglos gewesen.«
»Für meine Begriffe sah er richtig krank aus«, sagte Harold. »Ich habe ihm empfohlen, einen Arzt aufzusuchen, aber darüber hat er nur hysterisch gelacht.«
»Dann werd’ ich mal mit ihm reden«, versprach Kelley. »Vielleicht braucht er Urlaub. Einen Vertreter für ein paar Wochen finden wir immer.«
»Gut, dann wollen wir dieses Thema hiermit beenden«, sagte Harold und bemühte sich, seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender wieder gerecht zu werden. »Beginnen wir offiziell mit unserer Sitzung.«
»Bevor wir zur Tagesordnung übergehen, möchte ich Ihnen noch etwas anderes mitteilen«, warf Kelley ein und setzte dabei sein gewinnendstes Lächeln auf. »Meine Vorgesetzten bei der CMV sind sehr unzufrieden darüber, daß unser Antrag auf die Einrichtung eines Herzzentrums abgeschmettert worden ist.«
»Wir sind genauso enttäuscht wie Sie«, erwiderte Harold nervös. Es paßte ihm nicht, daß die Sitzung gleich mit einem heiklen Thema begann. »Doch leider liegt die Entscheidung nicht in unseren Händen. Der Antrag ist in Montpelier abgelehnt worden - auch wenn die Chancen gar nicht so schlecht standen, ihn durchzubekommen.«
»Die CMV war eigentlich davon ausgegangen, daß in Bartlet längst eine Herzchirurgie hätte eingerichtet werden sollen«, erwiderte Kelley. »Immerhin war das eine der Bedingungen unseres Abkommens.«
»In der Vereinbarung heißt es, daß wir dann eine Herzchirurgie einrichten, wenn uns Montpelier dazu auffordert«, korrigierte ihn Harold. »Aber wir wurden bisher nicht dazu aufgefordert. Würdigen Sie doch lieber mal, welche kostspieligen Modernisierungen wir bereits durchgeführt haben! Wir haben die Anlage für Kernspintomographie auf den neuesten Stand gebracht, wir haben eine Intensivstation für Neugeborene eingerichtet, und wir haben die alte Kobalt-60-Anlage durch den modernsten Linearbeschleuniger ersetzt, der zur Zeit auf dem Markt ist. Ich glaube, daß wir Ihnen mit all diesen Anschaffungen ziemlich weit entgegengekommen sind - und das zu einer Zeit, in der das Krankenhaus rote Zahlen geschrieben hat.«
»Ob
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