Todesengel
diesem Programm«, schaltete Caldwell sich ein. »Wenn wir jetzt diese ›drastischen Maßnahmen zur optimalen Kapazitätsauslastung‹ konkret umsetzen - was würde das für einen Patienten mit einer chronischen Erkrankung bedeuten? Zum Beispiel für jemanden, der an Mukoviszidose leidet?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Traynor. »Ich bin kein Arzt. Was ist denn Mukoviszidose? Die Krankheitsbezeichnung habe ich schon mal gehört, aber mehr weiß ich nicht darüber.«
»Das ist eine chronische Erbkrankheit«, erklärte Cantor. »Die Betroffenen haben gastrointestinale Probleme und Schwierigkeiten beim Durchatmen.«
»Gastrointestinale Probleme heißt soviel wie Probleme im Magen-Darm-Trakt«, erläuterte Caldwell. »Im Verdauungssystem also.«
»Vielen Dank«, sagte Traynor sarkastisch. »Ich weiß, was gastrointestinal heißt. Aber was hat es mit dieser Krankheit auf sich? Ist sie tödlich?«
»Normalerweise ja«, erwiderte Cantor. »Mit einer intensiven Atemtherapie können manche Patienten allerdings trotzdem relativ alt werden und es in ihrem Leben zu etwas bringen.«
»Und wie hoch sind die anfallenden Kosten pro Jahr?« fragte Traynor.
»Wenn die chronischen Atemprobleme einmal eingesetzt haben, verursachen Mukoviszidose-Kranke pro Jahr Kosten in Höhe von zwanzigtausend Dollar und mehr«, erwiderte Cantor.
»Du meine Güte!« staunte Traynor. »Wenn die Kosten so hoch sind, muß diese Krankheit natürlich bei unseren Überlegungen im Hinblick auf eine optimale Kapazitätsauslastung berücksichtigt werden. Tritt die Krankheit häufig auf?«
»Bei einem von zweitausend neugeborenen Kindern«, antwortete Cantor.
»Ach, wenn das so ist!« sagte Traynor und winkte ab. »Eine so seltene Krankheit ist die Aufregung ja wohl nicht wert.«
Nachdem alle versprochen hatten, abends pünktlich zur Vorstandssitzung zu erscheinen, trennten sich auch Caldwell und Cantor voneinander. Caldwell steuerte auf den See zu, an dessen Ufer sich ein kleiner Strand befand, denn dort sollte gerade ein neues Volleyballspiel beginnen. Cantor stürzte sich unverzüglich auf ein großes, kaltes Bier.
»Wollen wir auch etwas essen?« fragte Harold. Noch einmal bahnten sich Helen und Harold ihren Weg zum Zelt, wo jede Menge Holzkohlegrills aufgestellt worden waren. Jeder Festbesucher, der Harold entgegenkam, grüßte ihn mit einem kurzen Nicken oder ein paar netten Worten.
Seine Frau hatte recht gehabt: Er liebte öffentliche Veranstaltungen, denn bei solchen Anlässen fühlte er sich wie ein König. Er war zwar eher leger gekleidet, doch mit seiner maßgeschneiderten Hose, dem kurzärmeligen Hemd, das er ausnahmsweise nicht bis oben zugeknöpft hatte, und den flotten Freizeitschuhen, in denen er barfuß ging, wirkte er trotzdem gut angezogen. Niemals würde Harold Traynor sich auf einer solchen Veranstaltung in kurzen Hosen blicken lassen, und er wunderte sich einmal mehr darüber, wie wenig Cantor auf sein Äußeres zu achten schien.
Als Harold seine Frau näherkommen sah, war seine Freude schnell verflogen. »Amüsierst du dich gut, Liebling?« fragte sie mit einem sarkastischen Unterton. »Du machst so einen fröhlichen Eindruck.«
»Was soll ich sonst tun? Vielleicht mit einer finsteren Miene herumlaufen?« fragte er zurück. »Ja. Warum nicht?« erwiderte Jacqueline. »Zu Hause hast du doch auch immer schlechte Laune.«
»Vielleicht sollte ich besser gehen«, sagte Helen und war im Begriff weiterzugehen.
Doch Harold hielt sie am Arm fest. »Nein, bitte bleib noch. Ich möchte noch etwas über die August-Statistik hören, bevor du heute abend auf der Sitzung darüber redest.«
»Wenn das so ist, dann werde ich mich jetzt verziehen«, sagte Jacqueline. »Weißt du, Harold, mein Schatz, ich werde wohl nach Hause fahren. Einen Happen gegessen habe ich schon, und mit den beiden Menschen, die mich hier interessieren, habe ich auch schon gesprochen. Sicher wird sich einer deiner vielen Kollegen freuen, wenn er dich nach Hause chauffieren darf.«
Helen und Harold sahen Jacqueline hinterher, die mit ihren Pumps unsicher durch das hohe Gras zum Auto stakste.
»Ich habe gar keinen Hunger mehr«, sagte Harold, als Jacqueline außer Sichtweite war. »Laß uns noch ein wenig auf dem Festplatz umherschlendern.« Sie gingen ein Stück am Seeufer entlang und sahen eine Weile dem Volleyballspiel zu. Danach bummelten sie weiter und blieben am Softball-Feld stehen. »Worüber möchtest du mit mir reden?« fragte Harold, nachdem er all
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