Todesengel
wieder der gleiche Kerl?«
»Das vermuten wir«, erwiderte Robertson. »Die gleiche Beschreibung wie bei den anderen Überfällen. Und auch die Sturmhaube hatte er wieder auf. Diesmal hat er allerdings kein Messer, sondern eine Pistole als Waffe benutzt, aber die Handschellen hatte er wieder dabei. Er hat die Frau gezwungen, mit ihm zwischen den Bäumen zu verschwinden - genauso wie bei den anderen Überfällen.«
»Und ich hatte gehofft, daß ihn die helle Beleuchtung abschrecken würde«, sagte Traynor.
»Womöglich hätte diese Taktik ja auch funktioniert«, warf Helen etwas zögernd ein.
»Wie soll ich das verstehen?« fragte Harold ungeduldig. »Diesmal ist der Täter auf der oberen Parkebene über die Frau hergefallen, und dort gibt es keine Lampen. Wie du dich vielleicht erinnerst, beleuchten wir diesen Parkplatz nicht, um Geld zu sparen.«
»Welche Personen sind über den Vorfall informiert worden?« fragte Traynor.
»Nicht viele«, antwortete Helen. »Ich selbst habe bei der Zeitung angerufen und mit George O’Donald gesprochen. Er hat mir versprochen, daß in der Bartlet Sun kein Artikel über die Vergewaltigung erscheinen wird. Wenn wir Glück haben, erfährt niemand etwas über die Sache. Das Opfer wird sicher nicht mit vielen Leuten darüber reden.«
»Am wichtigsten erscheint es mir, daß die CMV nichts davon erfährt«, sagte Harold.
»Ich glaube, dieser erneute Überfall zeigt uns noch einmal ganz deutlich, wie dringend wir das Parkhaus benötigen«, stellte Helen fest.
»Wir benötigen es zwar, aber wir werden es vermutlich nicht bekommen«, erwiderte Harold. »Das ist nämlich die schlechte Nachricht, die ich heute abend auf der Vorstandssitzung bekanntgeben muß. Mein alter Erzfeind, Jeb Wiggins, hat seine Meinung geändert. Er hat den Stadtrat davon überzeugt, daß unsere Idee, ein Parkhaus zu bauen, nicht besonders gut ist. Jetzt behaupten nämlich plötzlich alle, daß das Gebäude ein Schandfleck sein würde.«
»Dann ist das Projekt also gestorben?« fragte Helen. »Gestorben noch nicht, aber vorerst können wir wohl nicht mit dem Bau beginnen. Ich werde dafür sorgen, daß noch einmal über unseren Antrag abgestimmt wird. Aber wenn ein Anliegen einmal abgeschmettert wurde, ist es erfahrungsgemäß schwierig, es später doch noch durchzubringen. Diese Vergewaltigung ist ja wirklich eine schlimme Sache - aber vielleicht lassen sich die Ratsherren dadurch wenigstens von der Notwendigkeit des Parkhauses überzeugen.«
Harold wandte sich an Robertson. »Kann die Polizei denn nicht irgend etwas tun?« fragte er.
»Wir haben zu wenig Beamte, um den Parkplatz jede Nacht bewachen zu können«, erwiderte Robertson. »Ich habe meine Männer aber angewiesen, immer am Krankenhaus vorbeizufahren, wenn sie in der Gegend sind, und das Gelände gründlich zu inspizieren.«
»Wo ist denn Patrick Swegler?« fragte Traynor. »Ich hole ihn«, erwiderte Robertson und marschierte auf den Teich zu, der sich in der Mitte des Geländes befand. »Bist du für heute abend bereit?« fragte Harold, als Robertson nicht mehr mithören konnte. »Meinst du die Versammlung?« fragte Helen zurück. »Die Versammlung und die Zeit danach«, sagte Harold und setzte ein laszives Grinsen auf. »Ich bin mir nicht so sicher, ob wir uns danach treffen sollen«, erwiderte Helen. »Wir müssen miteinander reden.«
»Worüber müssen wir reden?« fragte Harold. Es gefiel ihm nicht, was er da zu hören bekam. »Jetzt ist nicht der rechte Augenblick für ein Gespräch«, sagte Helen. Sie sah, daß Patrick Swegler und Wayne Robertson bereits im Anmarsch waren.
Harold merkte, wie ihm die Knie weich wurden, und er lehnte sich an den Zaun. Er hatte sich immer darauf verlassen können, daß Helen ihn anhimmelte. Doch jetzt fragte er sich, ob sie ihn betrog, vielleicht sogar mit einem so fiesen Kerl wie Charles Kelley. Harold seufzte; irgend etwas ging bei ihm immer schief.
Patrick Swegler kam entschlossen auf Harold zu. Harold hielt ihn für einen harten Burschen, denn Patrick hatte in der Football-Mannschaft der High School gespielt; das war damals gewesen, als Bartlet einmal für kurze Zeit an der Tabellen-Spitze der regionalen Schülerliga gestanden hatte.
»Wir konnten nichts für die Frau tun«, sagte Swegler. Er wollte sich wegen des Überfalls auf keinen Fall von Traynor einschüchtern lassen. »Sie hat zwei Schichten hintereinander gearbeitet und uns nicht angerufen, bevor sie das Gebäude verlassen hat. Dabei haben
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