Todesengel
wir alle Schwestern schon mehrmals aufgefordert, uns dringend Bescheid zu sagen, wenn sie nach dem Spätdienst nach Hause wollen. Aber was noch schlimmer ist: Als sie am Morgen zur Arbeit kam, hat sie ihr Auto auf der oberen Parkebene abgestellt. Und wie Sie ja wissen, ist dieser Parkplatz nicht beleuchtet.«
»Mein Gott!« murmelte Traynor vor sich hin. »Ich soll dafür sorgen, daß ein Unternehmen mit einem Umsatz von mehreren Milliarden Dollar reibungslos funktioniert, und gleichzeitig muß ich mich auch noch um die banalsten Kleinigkeiten kümmern. Warum hat sie die Sicherheitsleute denn nicht angerufen?«
»Das hat man mir nicht gesagt, Sir«, erwiderte Swegler. »Wenn das neue Parkhaus einmal steht, haben wir dieses Problem nicht mehr«, sagte Helen. »Wo steckt Werner van Slyke?« fragte Harold jetzt. »Bringen Sie ihn her!«
»Aber Harold«, erwiderte Helen. »Du solltest eigentlich am besten wissen, daß Mr. van Slyke niemals an irgendwelchen geselligen Veranstaltungen des Krankenhauses teilnimmt.«
»Ach ja, hab’ ich vergessen«, sagte Harold. »Dann teile ihm so schnell wie möglich mit, daß er auf der oberen Parkebene genauso viele Lampen aufstellen soll wie unten. Er soll den Parkplatz beleuchten wie ein Fußballfeld.« Harold wandte sich wieder an den Polizisten. »Jetzt erzählen Sie mir doch mal, warum Sie diesen verdammten Vergewaltiger immer noch nicht geschnappt haben! Wenn man bedenkt, wie klein Bartlet ist und wie viele Frauen jetzt schon überfallen wurden - und vermutlich alle von dem gleichen Täter - dann sollten Sie ja wenigstens einen Verdächtigen haben, oder?«
»Wir arbeiten an dem Fall«, grummelte Robertson. »Wollen wir nicht mal zum Zelt gehen?« schlug Helen vor. »Von mir aus«, antwortete Harold, obwohl er innerlich kochte. »Wenn man schon hier sein muß, sollte man wenigstens ein paar Muscheln probieren.« Er bot Helen seinen Arm an und führte sie zu einem Stand, von dem Essensdüfte aufstiegen.
Von der anderen Seite kamen Caldwell und Cantor auf sie zu. Caldwell war in guter Stimmung. »Ich nehme an, Sie haben schon gehört, wie gut das Bonus-System eingeschlagen hat«, sagte er zu Harold. »Die Zahlen für den August sind sehr vielversprechend.«
»Nein, das ist mir neu«, erwiderte Harold und sah Helen fragend an.
»Es stimmt«, sagte Helen. »Ich werde die neuesten Statistiken heute abend bekanntgeben; aus ihnen geht hervor, daß die Bilanz im Augenblick ganz gut aussieht. Im August hatten wir vier Prozent weniger Patienten in stationärer Behandlung als im Vorjahr. Der Rückgang ist zwar nicht gerade berauschend, aber immerhin scheint es in die richtige Richtung zu gehen.«
»Ich finde es erfreulich, daß man zur Abwechslung auch mal eine gute Nachricht hört«, sagte Harold. »Aber wir haben immer noch allen Grund zur Sorge. Am Freitag habe ich mit Mr. Arnsworth gesprochen, und er hat mir mitgeteilt, daß wir schon bald wieder tief in den roten Zahlen stecken werden; nämlich spätestens dann, wenn die Touristen nach Hause fahren. Im Juli und August haben wir viele Patienten im Krankenhaus versorgt, die nicht bei der CMV versichert sind und die selbst bezahlt haben. Aber jetzt haben wir schon September, und das heißt, daß die letzten Touristen bald weg sind. Von einer entspannten Finanzlage kann also keine Rede sein.«
»Ich glaube, wir müssen einfach wieder strikt darauf achten, daß unsere Kapazitäten optimal und effizient ausgelastet werden«, sagte Helen. »Das ist unsere einzige Chance, so lange durchzuhalten, bis dieser lästige Vertrag ausgelaufen ist.«
»Du hast recht«, erwiderte Harold. »Die entsprechenden Maßnahmen müssen sofort wieder eingeleitet werden. Wir haben gar keine andere Wahl. Falls es Ihnen übrigens noch nicht bekannt ist - unser Programm läuft neuerdings unter der Bezeichnung ›drastische Maßnahmen zur optimalen Kapazitätsauslastung‹ und nicht mehr unter dem Namen ›Bemühungen um eine optimale Kapazitätsauslastung‹.«
Mit dieser Bemerkung erntete er schallendes Gelächter. »Ich muß sagen - ich bin enttäuscht«, sagte Cantor, immer noch lachend. »Schließlich habe ich das Programm vorgeschlagen, und ich hatte für die Bezeichnung ›Bemühungen‹ gestimmt.« Trotz des langen und schönen Sommers hatte sich die fahle Gesichtsfarbe von Cantor kaum verändert. Er trug schwarze Socken und Bermudashorts, und seine erstaunlich dünnen Beine waren sogar noch weißer als seine übrige Haut. »Ich habe eine Frage zu
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