Todesengel
verließ Wadleys Büro. Sie wollte David gleich das Ergebnis ihrer Bemühungen mitteilen. Als sie das Wartezimmer betrat, erschrak sie. Es warteten dort so viele Patienten, daß nicht einmal jeder einen Sitzplatz hatte. Angela schaffte es, ihren Mann abzufangen, als dieser gerade von einem in das andere Behandlungszimmer wechselte. David wirkte völlig erschöpft. »Ich kann den Leichnam von Marjorie Kleber nicht öffnen.«
»Warum nicht?« fragte David.
Angela erzählte ihm, was sie gerade von Wadley erfahren hatte.
Frustriert schüttelte David den Kopf und verzog den Mund. »Meine Meinung über dieses Krankenhaus sinkt rapide«, stellte er fest. Dann berichtete er Angela von seiner Unterredung mit Kelley.
»Das ist ja unglaublich!« schnaubte Angela wütend. »Er hat tatsächlich behauptet, es sei nicht notwendig, Spezialisten zu Rate zu ziehen, obwohl die Patientin im Sterben lag? Der ist ja total verrückt!«
»Ja, aber genau so war’s«, erwiderte David und schüttelte erneut den Kopf.
Angela war sprachlos. Kelley schien keine Ahnung zu haben, was die Behandlung von kranken Menschen anging. Sie hätte gerne noch länger mit David gesprochen, doch sie wußte, daß er jetzt keine Zeit hatte. »Da drüben warten jede Menge Patienten auf dich«, sagte sie. »Was glaubst du, wann du hier fertig bist?«
»Ich habe keinen Schimmer.«
»Was hältst du davon, wenn ich Nikki nach Hause bringe und du mich nachher anrufst, wenn du fertig bist? Ich komme dann und hole dich ab.«
»Ja, gut«, sagte David. »Ich rufe später an.«
»Halt die Ohren steif!« versuchte Angela ihn zu ermutigen. »Wir reden nachher weiter.«
David rief um Viertel nach sieben an. Da Nikki es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatte, konnte Angela beruhigt zum Krankenhaus fahren. Sie fuhr ganz langsam, denn inzwischen regnete es so stark, daß die Scheibenwischer die Wassermassen kaum bewältigen konnten. »Was für ein Wetter!« sagte David, als er einstieg. »Nicht besser als der ganze Tag!« seufzte Angela. »Wie geht es dir?«
»Es geht«, sagte David. »Gott sei Dank hatte ich viel zu tun. Dadurch konnte ich mich wenigstens ablenken. Aber jetzt wird es ernst; wie soll ich es Nikki bloß erklären?«
»Du sagst ihr einfach die Wahrheit«, riet Angela ihm. »Das ist leichter gesagt als getan. Was sage ich ihr, wenn sie mich fragt, woran Marjorie gestorben ist? Das Problem ist doch, daß ich es selbst nicht weiß, weder in physiologischer noch in metaphysischer Hinsicht.«
»Ich habe noch einmal über Kelley nachgedacht«, warf Angela ein. »Mir scheint, dieser Mann hat offensichtlich ein paar gravierende Dinge völlig mißverstanden - jedenfalls, wenn es um das Wesentliche bei der Versorgung von Patienten geht.«
»Das kann man wohl sagen.« David lachte sarkastisch. »Besonders unheimlich finde ich, daß so ein Typ wie Kelley eine Führungsposition innehat.«
»Apropos Führungsposition«, sagte Angela, »ich hatte heute wieder einen kleinen Zusammenstoß mit Wadley.«
»Dieses Schwein!« rief David empört. »Was ist passiert?«
»Er hat mich mehrere Male ›Schätzchen‹ genannt«, erwiderte Angela. »Und dann hat er mir auch noch an den Hintern gefaßt.«
»Meine Güte! Was für ein Trottel!«
»Ja, da hast du recht. Aber ich muß jetzt etwas unternehmen. Ich weiß nur noch nicht was.«
»Vielleicht solltest du mit Cantor reden«, schlug David vor. »Wenigstens ist Cantor Arzt und nicht einer von diesen Gesundheits-Bürokraten.«
»Sein Kommentar über ›die Mädchen‹, die in seinem Semester Medizin studiert haben, war allerdings auch nicht gerade vertrauenerweckend«, bemerkte Angela. Sie bogen in die Auffahrt ein. Angela fuhr so nah wie möglich an die hintere Eingangstür, denn es regnete noch immer in Strömen.
»Es schüttet doch schon seit drei Tagen wie aus Eimern«, klagte David. »Hört das denn nie auf?« Als sie im Haus waren, ging Angela sofort in die Küche, um das Essen aufzuwärmen, das sie zuvor für sich und Nikki gekocht hatte; David ging in den Keller, um Holz für ein Kaminfeuer zu holen. Auf der Kellertreppe fiel ihm auf, daß der Regen inzwischen sogar schon durch den Fugenkitt zwischen den Fundamentblöcken hindurchgesickert war. Gleichzeitig bemerkte er wieder diesen fauligen Modergeruch, der ihm hier schon mehrmals in die Nase gestiegen war. Während er sich ein paar Holzscheite unter den Arm klemmte, tröstete er sich mit dem Gedanken, daß der Lehmboden die Feuchtigkeit schon
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