Todesengel
aufsaugen würde. Selbst wenn eine größere Menge Wasser in den Keller gelangen sollte, würde es irgendwann einfach versickern.
Nachdem David gegessen hatte, gesellte er sich zu seiner Tochter, die immer noch vor dem Fernseher hockte. Wenn Nikki krank war, zeigten David und Angela sich großzügig und erlaubten ihr, länger fernzusehen als sonst. David tat eine Zeitlang so, als würde ihn die Show interessieren, die Nikki sich gerade anschaute. Doch in Wirklichkeit überlegte er, wie er Nikki am schonendsten beibringen konnte, daß Marjorie gestorben war. Als die Sendung schließlich von einem Werbeblock unterbrochen wurde, legte David einen Arm um seine Tochter. »Ich muß dir etwas erzählen«, begann David. »Was denn?« fragte Nikki, während sie ihren Hund streichelte, der neben ihr auf dem Sofa lag. »Marjorie Kleber, deine Lehrerin, ist heute gestorben«, sagte David so behutsam wie möglich. Ein paar Augenblicke lang sagte Nikki kein Wort. Sie schaute nur auf Rusty hinunter und tat so, als würde sie sich gerade für einen Knoten hinter seinem Ohr interessieren.
»Ich bin sehr traurig, daß Marjorie sterben mußte«, fuhr David fort. »Besonders, weil ich ja ihr Arzt war.«
»Ich weiß, daß wir alle einmal sterben müssen«, antwortete Nikki schnell und schüttelte heftig ihren Kopf. Dann schob sie eine Haarsträhne zur Seite, die ihr in die Augen gefallen war, und blickte auf den Bildschirm; sie tat so, als fände sie die Werbung wahnsinnig spannend. »Man darf ruhig zeigen, wenn man traurig ist, Nikki«, sagte David. Nikki schaute ihn kurz an, dann warf sie sich in seine Arme und brach in Tränen aus.
Kapitel 13
Mittwoch, 20. Oktober
Obwohl Nikki heftig protestierte, bestanden David und Angela darauf, daß sie sich noch einen Tag ausruhte und nicht gleich wieder in die Schule ging. Schließlich wollten sie auf keinen Fall einen Rückfall riskieren; sie nahm noch Antibiotika, und das Wetter war genauso scheußlich wie am Tag zuvor.
An diesem Morgen beteiligte sich Nikki zwar nicht besonders aktiv an ihrer Atemtherapie, doch Angela sorgte dafür, daß sie die Übungen trotzdem sehr gründlich machte. Danach horchten sowohl Angela als auch David Nikkis Brust ab, und sie waren beide zufrieden. Alice Doherty stand pünktlich zur vereinbarten Zeit vor der Haustür. David und Angela waren wirklich froh, eine so verläßliche und allzeit verfügbare Babysitterin gefunden zu haben.
Im Krankenhaus ging David zuerst in das Zimmer von John Tarlow.
Er war überrascht, daß er dort neben einem leeren Bett nur ein paar verstreut herumliegende Putztücher und eine Stehleiter vorfand. Da David keine Ahnung hatte, wo sein Patient geblieben war, fragte er im Schwesternzimmer nach.
»Mr. Tarlow ist auf Zimmer 206 verlegt worden«, sagte Janet Colburn.
»Und warum?« fragte David.
»Es ist jemand aus der Werkstatt gekommen und hat gesagt, daß das Zimmer gestrichen wird«, erwiderte Janet. »Wir haben die Aufnahme informiert, und daraufhin hat man uns mitgeteilt, daß wir den Patienten auf Zimmer 206 verlegen sollen.«
»Ich finde das ausgesprochen rücksichtslos«, beschwerte sich David.
»Geben Sie bitte nicht uns die Schuld«, sagte Janet. »Sprechen Sie lieber mit jemandem aus der Werkstatt.« Da David sich darüber ärgerte, wie man mit seinem Patienten umsprang, nahm er Janet beim Wort und suchte das Werkstattbüro auf. Er traf auf einen Mann in seinem Alter, der mit gebeugtem Rücken an einem Schreibtisch saß. Der Mann trug ein zerknittertes, olivgrünes Arbeitshemd und eine Hose aus dem gleichen groben Material. Die zahlreichen Bartstoppeln in seinem Gesicht ließen darauf schließen, daß er sich mindestens seit zwei Tagen nicht mehr rasiert hatte.
»Was gibt’s?« fragte van Slyke mit seiner monotonen Stimme, während er von seinem Terminkalender aufschaute. Sein Gesicht wirkte vollkommen ausdruckslos. »Einer meiner Patienten ist in ein anderes Zimmer verlegt worden«, erwiderte David. »Und ich möchte gerne den Grund dafür wissen.«
»Falls Sie von Zimmer 216 sprechen - das ist gestrichen worden«, grummelte van Slyke gelangweilt. »Daß es gestrichen wurde, habe ich gesehen«, gab David zurück. »Ich möchte wissen, warum es gerade jetzt gestrichen werden mußte.«
»Wir haben unsere Vorschriften«, antwortete van Slyke. »Vorschriften hin oder her«, sagte David. »Ich glaube nicht, daß man den Patienten derartige Unannehmlichkeiten bereiten sollte.«
»Reden Sie mit
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