Todesfee
begann zu lesen.
»… nachdem seine Wunden und seine Schwäche den Legaten daran gehindert hatten, sich vor Verzweiflung in sein Schwert zu stürzen, fesselte ich seine Hände, um ein solches Unglück auch für die Zukunft zu verhindern, sollte er nach seiner Ohnmacht wieder das Bewusstsein erlangen. Daraufhin lagen wir in einem Graben verborgen, bis sich die Dunkelheit herabsenkte, während unsere Feinde um uns herum feierten und zechten. Sie hatten guten Grund zu feiern. Sie hatten die ruhmreichste Legion ausgelöscht, die aus Hispanien unter den glänzenden Adlern Roms hierhermarschiert war.
Alles, was von der berühmten Truppe von sechstausend Männern übrig geblieben war, waren der verwundete Legat und ihr Adler. Die Geschichte muss bezeugen, wie Lepidus, der letzte Überlebende dieser kämpfenden Truppe, während des letzten, überwältigenden Ansturms der Kaledonier den Adler ergriff und, umgeben von Toten und Sterbenden, dastand, sein
gladius
, sein Kurzschwert, in der einen Hand und den Adler in der anderen, bis auch er niedergeschlagen wurde. So fand ich ihn. Ich, |426| ein einfacher
mathematicus
, dessen Aufgabe nur darin bestand, das Kassenbuch der Legion zu führen. Selbst in seiner Bewusstlosigkeit hielt er den Adler so fest umklammert, dass ich seinen Griff nicht davon lösen konnte, und so ihn und den Adler zu dem Graben hinüberschleppte, der nicht weit vom blutigen Schlachtfeld entfernt verlief. Mars wachte über uns, sodass wir von unseren Feinden nicht bemerkt wurden.
Dass wir überlebten, war wahrlich nur dem Willen der Götter zu verdanken. Der Legat war durch seine Verwundungen fiebrig geworden, und ich zog und trug ihn den Graben entlang, weiter fort vom Ort des blutigen Gemetzels, bis wir den Schutz eines Wäldchens erreichten. Dort lagerten wir einen weiteren Tag, doch leider verschlechterte sich der Zustand des Legaten. Gegen Morgen überkam ihn eine große Ruhe. Er wusste, dass er im Sterben lag. Er ergriff meine Hand und erkannte mich.
Langsam sprach er: ›Cingetorix, wie bist du hierhergekommen?‹
Ich antwortete ihm, dass ich im Tross der Legion gewesen sei, als die Kaledonier angriffen, und geflohen sei, ohne zu wissen, wohin. Das blinde Schicksal ließ mich zufällig auf den Oberbefehlshaber und einige seiner Männer stoßen, die, um den Adler versammelt, ihr letztes Gefecht fochten. Nachdem sie überwältigt waren, bemerkte ich, dass die Kaledonier es versäumt hatten, den Adler mitzunehmen. Da ich um seinen Wert wusste, schlich ich zu den Leichen, die nun verlassen dalagen, um ihn zu retten. Da sah ich, dass der Legat noch am Leben war.
Der Legat Lepidus hielt meinen Arm fest umklammert. ›Cingetorix, du kennst die Bedeutung des Adlers. Mit mir geht es zu Ende. Deshalb trage ich dir auf: Nimm du den Adler und lege ihn dem Kaiser von Rom in die Hände, der ihn uns gegeben hat, auf dass er ihn abermals emporhebe und verkünde, dass die |427| IX Hispana lebt, auch wenn ihre Männer gefallen sind. Tue es allen kund, dass Lepidus sein Blut bei der Verteidigung des Adlers vergossen hat und dass bei seinem Tode der Adler und seine Ehre unversehrt waren.‹«
Fidelma hielt inne und sah von dem Pergament auf.
»Zweifellos ist dieser Text die Quelle, die du brauchst, um deine Abhandlung zu schreiben«, sagte sie. »Was führt dich sonst noch in dieses Land?«
»Lies weiter«, drängte sie der Diakon.
»Der Legat verweilte keinen Moment länger in diesem Leben. Also trennte ich den Adler von den zersplitterten Überresten des Holzstabes und wickelte ihn in ein Tuch, um ihn besser tragen zu können. Ich wartete, bis die Nacht wieder hereinbrach, und begann dann langsam, einen möglichst großen Abstand zwischen mich und die noch immer feiernden Kaledonier zu bringen. Sie versperrten jedoch die Straßen nach Süden, und so entschloss ich mich, westwärts in das Land des Reitervolks der Epidier zu ziehen.
Meine Geschichte ist lang und verworren, und ich werde sie möglichst bald, so gut ich kann, niederschreiben. Ich muss jedoch bereits an dieser Stelle erwähnen, dass ich mein Versprechen gegenüber dem Legaten Lepidus, mögen die Götter ihn ehren, nicht halten konnte. Ich brauchte Jahre, um meine Heimatstadt Darovernum zu erreichen. Die Götter meinten es gut mit mir, denn ich trug den Adler noch bei mir. Doch gegenwärtig wird die Gegend hier von großen Unruhen erschüttert, und das Alter macht mir zu schaffen. Ich vermag den Adler nicht nach Rom zu bringen und möchte ihn
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