Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfee

Todesfee

Titel: Todesfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
Vom Netzwerk:
rechtmäßig abgelaufen war. Declan ließ sie allein, weil er sich um die Vorbereitungen kümmern musste; durch eine Seitentür ging er aus dem Saal.
    Der große Raum wurde von flackernden Fackeln und Lampen erhellt; er war verraucht und heiß und voller Menschen. Mindestens drei Generationen von Cúans Familie waren anwesend, vor allem die männlichen Mitglieder. Es gab zwar auch einige weibliche Teilnehmer, von denen eine große, strenge Frau mit scharfen Gesichtszügen und dunklen Augen besonders auffiel. Fidelma hatte sie bereits kennengelernt: es war Berrach, die aus dem benachbarten Clan der Déices stammte. Sie nahm an der Versammlung aus Höflichkeit teil, nicht, weil |211| sie sich an der Wahl des Nachfolgers ihres Ehemannes aktiv beteiligen konnte, denn eine Frau gehörte den
derbhfine
ihres Vaters an, nicht denen ihres Ehemannes.
    Frauen wurden nur selten zur Stammesfürstin oder zur Königin gewählt – nicht, weil Frauen von diesen Ämtern ausgeschlossen waren; vor dem Gesetz waren Frauen und Männer gleich. Nur eine einzige Frau war je Hochkönigin der fünf Königreiche von Éireann geworden. Fidelma hatte das auf einer alten Liste der Hochkönige entdeckt. Doch es gab etliche Stämme, die Frauen nicht nur zu Stammesfürstinnen wählten, sondern auch zu Heerführerinnen. Die weibliche Erbin oder Nachfolgerin, die
banchomarba
, wurde gewöhnlich dann gewählt, wenn es keinen akzeptablen männlichen Nachfolger gab. Weil das Gesellschaftssystem auf dem Clanwesen aufgebaut war, mochte die weibliche Thronfolge jedoch dazu führen, dass durch eine Heirat mit einem Mitglied eines anderen Clans der Titel und die Ländereien des Clans verlorengingen.
    Wie Fidelma wusste, war im Gesetzestext Cáin Lánamna deshalb festgelegt, dass ein geerbter Titel oder ein geerbtes Amt und insbesondere geerbtes Land einer Frau nur auf Lebenszeit zur Verfügung stand und dann an die Familie ihres Vaters zurückfiel. Mobiler Besitz konnte an ihren Mann und ihre Kinder übergehen, auch wenn sie nicht ihrem Clan angehörten, doch Land musste im Clan bleiben. Auf diese Weise waren das Amt des Stammesfürsten und das Territorium des Clans geschützt. Eine weibliche Stammesfürstin oder Königin konnte daher nicht eines ihrer eigenen Kinder als ihren Amtsnachfolger vorschlagen, weil die
derbhfine
ihres Vaters für sie zuständig waren. Ihr Amtsnachfolger wurde von den
derbhfine
ihres Mannes bestimmt. Vor noch gar nicht so langer Zeit, erinnerte sich Fidelma, hatte Brehon Sencha Mac Ailella in genau diesem |212| Zusammenhang ein Fehlurteil gesprochen, das ein weiblicher Brehon, Brígh Briugaid, bei der Berufung revidiert hatte.
    Fidelma wurde plötzlich aus ihren Gedanken gerissen und sah, dass Declan die Halle wieder betreten hatte und auf dem Weg zu einer Gruppe von älteren
derbhfine
war. Mit ernstem Gesicht blieb er vor einem Mann stehen, der sich erhob und mit ihm sprach. Selbst von ihrem Platz aus konnte Fidelma feststellen, dass er Cúan unglaublich ähnelte, aber jünger war und ein zerfurchtes, wettergegerbtes Gesicht hatte. Sie konnte den Wortwechsel nicht hören, doch er schien kurz und alles andere als freundlich zu sein. Dann drehte sich Declan um, stolperte und stieß mit dem Mann zusammen. Er fing sich, entschuldigte sich anscheinend eher unwirsch und schritt wieder aus dem Saal.
    Gleich darauf führte Declan Cúan, den Fürsten der Uí Liatháin, in den Saal. Der untersetzte Mann mit dem roten Bart nahm seinen Platz ein. Zu seiner Rechten saß ein gutaussehender junger Mann, der, wie Fidelma wusste, Talamnach war; er lächelte und wirkte zuversichtlich. Ein Diener folgte Declan mit zwei Bechern Met und stellte sie auf einen Tisch zwischen dem Stammesfürsten und seinem Kandidaten für die Thronfolge. Fidelma warf einen Blick auf Berrach. Sie starrte finster geradeaus. Neben ihr lümmelte ihr Sohn Augaire auf seinem Stuhl. Fidelma fand, dass ihn Declan treffend als schwachen und gelangweilten Jungen beschrieben hatte. Er wirkte total desinteressiert an dem, was im Saal vorging.
    Declan hatte als Cúans Brehon und Berater seinen Platz neben dem Stammesfürsten eingenommen und rief die Versammlung zur Ordnung.
    »Wir sind heute hier aus einem ganz einfachen Grund zusammengekommen: Der Wahl des Nachfolgers von Cúan, dem Fürsten der Uí Liatháin.« Er wandte sich an Cúan. »Gibt es einen Kandidaten?«
    |213| Der Fürst erhob sich.
    »Als meinen Nachfolger stelle ich Talamnach zur Wahl«, verkündete er und setzte sich

Weitere Kostenlose Bücher