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Todesfessel - Franken-Krimi

Todesfessel - Franken-Krimi

Titel: Todesfessel - Franken-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Backert
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Befriedigt schlüpfte er in die schwarzen Pumps, Größe 46. Ein »Schnäppchen« bei www.grossedamenschuhe.com, das ihn dennoch ein kleines Vermögen gekostet hatte, die teuersten Schuhe seines Lebens. Und die geilsten.
    Endlich waren alle Probleme gelöst, das wahre neue Leben konnte beginnen! Ein letzter Kussmund für dieses grandiose Spiegelbild. Er schnappte sich den Autoschlüssel, drehte das Licht in dem alten Gartenpavillon aus und summte fröhlich vor sich hin.
    »I am what I am …«
    * * *
    Coras Anblick traf Charly wie ein körperlicher Schlag.
    Er kannte sie.
    Nicht dienstlich, viel schlimmer. Aus seiner eigenen Jugendzeit: Nur ein-, zweimal kurz gesprochen damals, doch lange Zeit umso heftiger aus der Ferne angehimmelt. Cora war – jede Wette! – Corinna aus Lichtenfels und, genau wie er selbst, damals Stammgast im »Mississippi« und in der Eisdiele … siebenundvierzig, achtundvierzig musste sie jetzt sein … immer noch tiefblaue Augen und braune Haare, die ein immer noch eher schmales Gesicht umrahmten … dominiert von den vollkommensten Lippen, die er je gesehen hatte …
    »Is was?«
    Herausfordernd schlug sie ihre langen Beine in den schwarz-silbernen Lackschnürstiefeln übereinander.
    Mach dich nicht zum Affen …
    Geschmeidig glitt er auf die einzige Sitzgelegenheit, die sich noch in dem nur lieferwagengroßen, angenehm temperierten Gewölbekeller befand: ein beigefarbener, orientalisch anmutender Kamelhocker zu Füßen ihres schweren Ledersessels.
    »Hi, Corinna.«
    Er stützte sein Kinn auf beide Fäuste und registrierte aufmerksam ihr leicht fragendes Lächeln, die Überraschung in ihrem Blick: Es war dasselbe Blau wie damals, die langen, dichten Wimpern, der gleiche Schwung der Augenbrauen. Und doch war irgendetwas anders: ihre atlantikblauen Augen, inmitten dieses perfekt gestylten Gesichts. Auch wenn Corinna lächelte, blieben sie merkwürdig leer und unbeteiligt.
    Kein Strahlen, kein Funkeln mehr.
    Leblos, erloschen.
    Eine wunderschöne Frau – mit den toten Augen einer Hure.
    * * *
    Sorgfältig zog er sich den Kajalstrich im Rückspiegel nach. Nur zur Sicherheit. Schließlich noch die flachen Autoschuhe ausziehen und wieder in die edlen Damenpumps schlüpfen.
    Beschwingt warf er die Fahrertür ins Schloss – hoffentlich nicht zu beschwingt? Zu kraftvoll, zu männlich? Er horchte nach und musste über sich selbst lächeln. Think positive. Es gab keinen Grund mehr, irritiert oder bedrückt zu sein.
    Alles im Griff, alles besiegt.
    Es gab keine Verunsicherung, allerhöchstens gewachsene Sensibilität: besseres Einfühlen, intensiveres, maximales Annähern an das Feminine, an diese strahlende Eleganz und Leichtigkeit …
    Jetzt galt es! Die ersten Passanten kamen entgegen. Ein schnelles, verstohlenes Zupfen im Rücken – der BH saß bombenfest. Konzentriert stöckelte er weiter.
    Nicht zu schnell. Kleinere Schritte.
    Zwei Teenies kamen näher, ihre Unterhaltung geriet ins Stocken, als sie ihn erblickten. Sein Mund wurde trocken, schlagartig verspannten sich Hals und Nacken. Schnell drehte er sich zur Seite, blickte in ein Schaufenster. Apotheke, er registrierte es kaum.
    Die Teenies schlenderten weiter, aus dem Spiegelbild des Schaufensters heraus. Geschafft! Ganz langsam drehte er den Kopf in ihre Richtung – und zuckte entsetzt zurück: Sie waren stehen geblieben, keine zehn Meter weiter, starrten ihn an und kicherten!
    Pubertär, widerwärtig, verblödet und gemein!
    Nur mit Mühe widerstand er einem sofortigen Fluchtreflex. Er kochte vor Wut und stakste entschlossen weiter, bog um die nächste Hausecke, nur heraus aus dem Blickfeld dieser primitiven, asozialen Gören.
    »Modeboutique.«
    Erleichtert blieb er stehen. Aus seiner kleinen Tasche kramte er ein Tempo hervor und tupfte sich verstohlen über die feuchte Stirn. Dunkle Erinnerungen stiegen in ihm hoch, die Stimme von früher meldete sich wieder: Du kannst das besser … one more time! One more time!
    Hoffentlich war das Make-up nicht schon angegriffen … vergeblich versuchte er, im dämmrigen Spiegelbild des Boutiqueschaufensters etwas zu erkennen, bis er sich an seinen Taschenspiegel erinnerte.
    Gott sei Dank! Der Angstschweiß war nur gefühlte Angst gewesen. Keine verräterischen Spuren im Gesicht. Nur unter der Lockenperücke wurde ihm langsam unangenehm warm.
    Sollte sie am Ende doch recht behalten, die Stimme von früher? Du bist nicht gut genug … du bist heute wieder richtig schlecht … und so plump!

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