Todesfessel - Franken-Krimi
»Hochschule für Musik und Theater München – Ballett-Akademie«. Ein paar nichtssagende Sätze, dann schaltete die Kamera in den Presseraum.
An der Stirnseite ein großes Schwarz-Weiß-Foto Ann-Sophies, flankiert vom Logo der Musikhochschule, einer stilisierten Treppe, und dem weißen Schmetterling »Don’t kill butterflies!«. Davor, hinter großen Namensschildern, »Fr. Langenau«, exotisch-müde Eleganz in Anthrazit; »H. Dr. Langenau«, Fünfeinhalb-Tage-Bart, Sakko, graues Shirt; »Fr. Henderson«, dunkelblau.
Nora eröffnete, scheinbar ruhig und gelassen. Charly registrierte ein minimales Zittern ihrer Stimme, als sie ihr persönliches Schicksal erwähnte: »… ich habe früher selbst eine Tochter, eine hochbegabte junge Tänzerin, verloren … ich will alles tun, damit Ann-Sophie Langenau möglichst bald wieder zurückkommt, zurück zu ihrer Familie, zurück auf ihre Bühne …«
Überleitung an Dr. Langenau, der mit seltsam starrem Blick an den »Entführer« appellierte.
»… wir haben nur ein Kind, Ann-Sophie ist unsere einzige Tochter, sie ist ein sanftes, sensibles Mädchen, das keiner Fliege was zuleide tut …« Er kämpfte mit den Tränen, verlor den Faden und fasste sich schließlich abrupt wieder. »Wir akzeptieren jede Bedingung, jede Forderung. Wir werden keine Polizei einschalten …«
Unruhe im Lageraum.
»… bitte geben Sie uns Ann-Sophie zurück!«
Wir müssen den Wortlaut, den gesamten Ablauf haarklein analysieren, dachte Charly und kontrollierte mechanisch das blinkende REC -Symbol des DVD -Players.
Vic Leduc Langenau, Ann-Sophies vietnamesische Stiefmutter, regte sich zum ersten Mal. Sie nippte schweigend an ihrem Wasserglas. Jetzt wandte sich Nora Henderson direkt an den Täter.
»Sie sehen, dass dieser Appell von Ann-Sophies Eltern in keiner Weise mit der Polizei abgestimmt ist. Auch aus diesem Grund sprechen wir heute nicht in Coburg, sondern in München zu Ihnen … Bitte lassen Sie Ann-Sophies Traum wahr werden, hier auf dieser Bühne zu tanzen, als Stipendiatin der Heinz-Bosl-Stiftung! Sie haben die Freiheit dazu, alles steht in Ihrer Macht! … Gewalt … und Tod …«, sie musste sichtbar schlucken, »Gewalt und Tod sind … das Ende jeder Freiheit, sind das Ende dieser Macht … Don’t kill butterflies … wir bitten Sie, lassen Sie Ann-Sophie frei! Nehmen Sie das Angebot der Eltern an und lassen Sie Ann-Sophie bitte frei …«
»Charly!« Moser stand in der Tür und winkte ihn mit einer zusammengerollten Zeitschrift heran. »Wolfi ist in der Leitung, Djukic ist wieder da! Heute Nachmittag ist trainingsfrei.«
Charly boxte ihn vor die Brust. »Sofort zuschlagen!« Er zeigte auf den Bildschirm. »Aufzeichnung bitte auf meinen Schreibtisch; Schnauzer soll Sprach- und Textprofiler kontaktieren, ich will so schnell wie möglich die komplette Auswertung!«
15:07 Uhr – Bamberg, KPI Schildstraße
EKHK Lauer begrüßte Charly mit triumphierendem Grinsen. »Djukic sitzt schon draußen. Mit Anwältin!«
»Anwältin? Zur Befragung?«
»Sein Berater hat sofort den Verein informiert. Und die Baskets sind halt topprofessionell. Heyder, der Manager, hat gleich beim Chef angerufen.«
»Und?«, fragte Charly misstrauisch.
»Hat ihm volle Kooperation des Vereins zugesichert. Absolute Diskretion erbeten. Und zwanzig Minuten später war Frau Bühler-Cendic da, im Auftrag des Vereins, mit Bosko im Schlepptau.«
»Nicht umgekehrt?«
»Überzeug dich selbst. Spricht fließend Deutsch und Serbokroatisch. Und müsste sich auch auf den Zähnen mal rasieren …«
Bosko Djukic gab sich erstaunlich wortkarg. Das weiße lange Hemd über der Jeans, dazu nagelneue adidas-Sneakers, von Charly auf gefühlte Größe vierundsechzig geschätzt, lümmelte er mit verschränkten Armen auf einem Holzstuhl.
Umso resoluter agierte seine Bamberger Anwältin Kristina Bühler-Cendic. Vier Köpfe kleiner als der Serbe, mit beachtlicher Oberweite und dunklem Haarflaum an den Armen, ging sie gleich energisch in die Offensive und nahm sogar die Belehrung ihres Schützlings persönlich vorweg.
»Damit sind ja die Formalien geklärt«, unterbrach Charly schließlich ihren Redeschwall. »Danke, Frau Bülic-Sender.«
»Bühler-Cendic!«
»Frau Bühler-Cendic natürlich, sorry. Wir halten also fest, dass Sie keinen zusätzlichen Dolmetscher brauchen, Herr Djukic?«
Der Serbe warf ihm einen müde-herablassenden Blick zu. »Habe auf drei Kontinenten gespielt. Brauche keinen Dolmetscher.«
Lauer
Weitere Kostenlose Bücher