Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfessel - Franken-Krimi

Todesfessel - Franken-Krimi

Titel: Todesfessel - Franken-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Backert
Vom Netzwerk:
vierundzwanzig Stunden auszuklinken und in Erlangen um seine Mutter zu kümmern, die am Mittag vom Fahrrad gestürzt war.
    »Sie ist halt doch schon einundachtzig«, sagte er leise. »Selbst wenn das jetzt mit dem Oberschenkelhalsbruch wieder wird; du weißt, was das bedeutet …«
    »Alten- und Pflegeheim …«
    Am Flugplatz des Lichtenfelser Aero-Clubs, ein Stück unterhalb des Mains, hob gerade eine kleine Cessna ab. Langsam, aber unbeirrt zog sie nach oben, immer weiter, kämpfte sich tapfer der dunkelgrauen Wolkendecke entgegen.
    »Alt werden ist scheiße.«
    »Aber ned alt wer’n is aa ka Lösung.«
    Charly dachte wieder an Ann-Sophie. Er starrte hinab, in den scheinbar harmlos und träge dahinfließenden Main, und suchte unbewusst Kontakt aufzunehmen: Lautlos schwebte seine Spucke hinab; unschuldig weiß und schwerelos tanzte sie durch die Luft.
    Im nächsten Augenblick klatschte sie auf der Wasseroberfläche auf.
    Wurde gnadenlos zerrissen.
    Zerfetzt.
    Ausgelöscht.
    19:15 Uhr – Irgendwo in Franken
    »Riders on the storm, into this house we’re born, into this world we’re thrown …« , leierte der alte Kassettenrekorder in der Ecke.
    Ein lästiges Augenbrauenhaar, weiß und spitz ragte es hervor – heraus damit! Ein blitzartiges Zupfen mit der Pinzette, befriedigt musterte er den eliminierten Störenfried und strich sich dann über die weiche schwarze Braue. »… Riders on the storm« , sang er leise mit und trat einen Schritt zurück. Kokett warf er den Kopf in den Nacken … nein, viel zu hastig, gleich noch mal … nein, anmutiger, noch einmal … jaaa, genau so! Befriedigt posierte er, jetzt mit bordeauxrotem Schmollmund.
    Was für ein Bild! Schönheit in Perfektion, schier zum Greifen nah – und doch so unerreichbar: Seine erwartungsvoll ausgestreckten Finger stießen auf die kalte Oberfläche des Spiegels, zart und behutsam erst, dann wütend, aggressiv; breit und fett schmierten sie rücksichtslos, immer schneller, wie im Fieberwahn, kreuz und quer über das eigene Spiegelbild.
    Keuchend vor Anstrengung hielt er schließlich inne. Verwirrt, mit offenem Mund, starrte er auf sein Werk, ein Labyrinth aus fetten weißen Cremespuren.
    Er sah sich um.
    Ann-Sophies Hose, akkurat gefaltet, hing noch über der Stuhllehne. Wütend riss er sie herunter, wie ein Besessener begann er, damit den Spiegel zu bearbeiten.
    Ein plötzlicher Hustenanfall nebenan.
    Er linste vorsichtig durch den offenen Türspalt ins Halbdunkel.
    Coburgs große Balletthoffnung … nackte weiße Beine … die Füße und Hände straff mit Ledergurten fixiert … der Mund weit aufgespreizt durch den roten Fetisch-Knebel … Das Jahrhunderttalent … die langen Haare, die er ihr geöffnet hatte, klebten verschwitzt und verheult im Gesicht, erschöpft hatte sie ihren Kopf zur Seite gedreht.
    »Na, behagt dir wohl mein Räucherstäbchen nicht? Ts, ts, ts«, er schüttelte seinen blonden Lockenkopf, »hab ich doch speziell für dich ausgesucht!« Er griff nach dem Päckchen. »Hör doch nur: ›Bergamotte, Zedernholz und Weihrauch wirken erhebend und klärend, lassen neues Licht und Leichtigkeit in die Gedanken fließen. Ein beruhigender Effekt auf angespannte Nerven, hilfreich bei Schlaflosigkeit und geistiger Überforderung …‹ «
    Ann-Sophie drehte den Kopf wieder zur Wand. Vom Knebel gedämpft begann sie erneut zu husten. Ärgerlich schleuderte er die Packung Räucherstäbchen in die Ecke.
    »Undankbares Geschöpf! Du wirst dich nach diesem Duft zurücksehnen … du wirst ganz andere Gerüche erleiden … du wirst bald selbst nur noch Gestank sein!« Er öffnete den alten Schrank und holte etwas heraus.
    Ein großer raschelnder Plastiksack.
    19:57 Uhr – SOKO Franken
    »Danke. Du weißt halt, was Männer brauchen.« Charly zwinkerte Barbara zu, als sie ihm eine Dose Red Bull auf den Tisch stellte.
    »Ja mei – ihr seids hoid aa sehr einfach g’strickt«, gab sie ungerührt zurück und schaltete ihren Laptop aus. »Brauchst du mi heid no?«
    Er schüttelte den Kopf. »Aber lass dein Handy an. Für … eventuelle Notfälle.«
    Sie lachte leise. »Arcadia Hotel. Ketschendorfer Straße 86«, flüsterte sie ihm vergnügt zu. »Ciao, bis morgen!«
    »Ja, bis morgen«, seufzte er.
    Heftiger Regen prasselte plötzlich an die Fensterscheiben. Er ließ seinen Blick über die verwaisten Schreibtische schweifen. Papierstapel, Ausdrucke, gelbe Klebezettel an Bildschirmen und Telefonen, vollgekritzelte Schreibunterlagen. Wasserflaschen

Weitere Kostenlose Bücher