Todesfinal
Sein fetter Hintern quoll über die Lehne und stellte die Stabilität des Stuhls auf eine harte Probe. Die Haare sahen aus, als wäre er bei einer Putzfrau eingebrochen und hätte den erstbesten Lappen als Perücke zweckentfremdet, und die riesigen Schwitzflecken unter seinen Achseln hielten die Schmeißfliegen fern, die sich sonst überall im Raum befanden.
Der Typ saß in der Morlov gegenüberliegenden Ecke und glotzte stumpfsinnig auf das Glas Bier vor ihm. Doch Morlov wusste, dass er ihn die ganze Zeit beobachtete.
Morlov fuhr mit seinem Finger über die staubige Tischplatte und hielt ihn dem glatzköpfigen Kellner vor die Nase. »Was ist das?«, fragte er.
Der Kellner sah auf den Finger. »Staub.«
»Natürlich Staub. Aber es ist noch viel mehr. Es ist ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, wie in diesem Laden mit Hygiene umgegangen wird. Sie waren doch sicher für die Sauberkeit des Tisches zuständig. Und ich muss sagen, Sie haben Ihre Arbeit nicht gut gemacht. Keine gute Arbeit. Sie denken vielleicht, Sie könnten sich das erlauben, Sie bekommen ja sowieso Ihr Geld, aber da täuschen Sie sich. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen, von mir bekommen Sie kein Trinkgeld. Trinkgeld gebe ich nur, wenn ich mit dem Ambiente und mit der geleisteten Arbeit zufrieden bin. Und das bin ich nicht. Das hier ist ein Saustall und Sie scheinen mir das Oberschwein zu sein.« Morlov beugte sich nach vorne und rief in Richtung des Wirts am Tresen, der die Szene die ganze Zeit beobachtete. »Sie sollten den Kerl da rausschmeißen und sich jemand aus dem Osten holen. Einen Ossi oder eine Polin. Die würden ganz anders arbeiten, da würde ein bisschen Schwung in den Laden kommen.«
Das Bulldoggengesicht am Tresen blickte stur in Morlovs Richtung. Kein Zucken in seinem Gesicht verriet, was er dachte.
Auch der Kellner vor Morlov reagierte nicht. »Wünschen Sie vielleicht etwas zu essen?«, fragte er.
»Ob ich was zu essen wünsche? Na, es wird Zeit, dass Sie fragen. Glauben Sie, ich bin nur hier, um das Ambiente dieses Saustalls auf mich wirken zu lassen?«
»Dann werde ich Ihnen die Speisekarte bringen.« Der bullige Kellner trottete wieder zum Tresen, nahm eine der auf der Theke liegenden Karten und brachte sie ihm. Morlov nahm sie vorsichtig in die Hand. Er hielt sie, als wäre sie mit dem Ebola-Virus verseucht.
»Mann, habt ihr die im Schweinestall aufbewahrt?« Morlov sah sich die Karte genauer an. Er studierte sie, obwohl er wusste, dass er sowieso nichts essen würde.
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Skamper setzte das Fernglas ab. Er stand am Waldrand auf einer kleinen Anhöhe, versteckt hinter einer großen Fichte. Seit einer halben Stunde beobachtete er das Gasthaus, das im Tal lag. Die einzige Zufahrtsstraße war wegen Bauarbeiten gesperrt gewesen. Ein Schild hatte darüber informiert, dass das Gasthaus geschlossen sei. Skamper hatte das Auto in einem Feldweg abgestellt und war durch den Wald hierher gelaufen, wo er einen ausgezeichneten Ausblick auf den Gasthof hatte.
Auf dem Parkplatz hinter dem Lokal parkten fünf Autos. Am Eingang stand ein Mann in einem schwarzen Anzug, der eine Zigarette rauchte. Vielleicht jemand, der den Eingang bewachte. Vielleicht aber auch nur ein Gast, der zum Rauchen vor die Tür gegangen war. Die Gaststätte war nicht geschlossen, mit dem Fernglas konnte Skamper sehen, dass sich hinter den Fenstern etwas tat. Was ging dort vor? Warum hatte ihn Morlov ausgerechnet hierher bestellt?
Skamper überlegte. Im Grunde sah alles harmlos aus. Vielleicht hatte ja Morlov auch andere Geocacher informiert, vielleicht stellte sich heraus, dass Morlov nicht mehr war als ein harmloser Geocacher, der zwar so durchgedreht war, ihm das Artefakt zu klauen, aber nicht der gefährliche Killer war, von dem Markoven gesprochen hatte.
Er würde sich das Ganze mal von Nahem ansehen.
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Arabella saß vor Skampers Computer und blickte mit angestrengtem Gesicht auf den Bildschirm. Das Mailprogramm verlangte ein Kennwort. Sie hatten schon die verschiedensten Wortkombinationen durchprobiert, bisher ohne Ergebnis.
»Wir haben im Präsidium einen Computerspezialisten, der würde das sicher knacken, aber der ist zur Fortbildung in München.« Dora hatte sich in einen Korbstuhl neben Arabella gesetzt. Auf der anderen Seite saß Jasmin.
»Hast du es noch mal mit dem Handy versucht?«
»Er hat es ausgeschaltet«, sagte Dora.
»Verdammt noch mal, warum hat er bloß nichts gesagt«, sagte Jasmin.
»Du kennst ihn doch.«
»Wer konnte auch ahnen,
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