Todesflut: Thriller
Zerstörung aus der Luft sehen.«
»Ach ja, stimmt.«
Wieder breitete sich Schweigen aus.
»Teresa hat mir von Rachel und Brad erzählt«, nahm Reggie das Gespräch wieder auf. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Es tut mir wirklich unendlich leid.«
Reggie wartete taktvoll, aber Kai war nicht in der Stimmung, um auf das Thema einzugehen.
»Wer ist im Augenblick im Dienst?«, fragte er, auch wenn er wusste, dass Reggie seinen Posten nicht einfach im Stich lassen würde, ohne für Ersatz zu sorgen.
»George und Mary sind irgendwann aufgetaucht. Ich habe ihnen die Verantwortung übertragen, damit ich dich suchen konnte. Sie halten Verbindung mit Alaska. Die erste Welle erreicht Kalifornien erst in zwei Stunden. Bis dahin sollte die Westküste so gut wie geräumt sein. Man muss schon wirklich hochgradig schwachsinnig sein, wenn man nach den vielen Fernsehübertragungen diesen Tsunami nicht ernst nimmt.«
Reggie hielt bei einem Wachturm an, der aus dem Zweiten Weltkrieg zu stammen schien. Er war seit vielen Jahren nicht mehr benutzt worden.
»Da oben dürfte es etwas ruhiger sein«, sagte er.
Kai zuckte mit den Schultern und folgte Reggie die Stufen nach oben. Sie wurden mit einem weiten Blick bis zur Küste belohnt. Die Brise erfrischte das Gesicht und nahm den Gestank der durchnässten Kleider mit sich.
»Es wird noch sehr viel schlimmer, bevor die Lage sich bessert«, sagte Kai, »ein ganzes Stück schlimmer.«
»Erzähl.«
»Die Welle hat sämtliche Kraftwerke dem Erdboden gleichgemacht. Es dürfte ein Jahr dauern, bis neue gebaut sind. Nach ersten Schätzungen sind allein auf Oahu dreihunderttausend Menschen obdachlos. Und wir beide gehören dazu.«
»Stimmt«, sagte Reggie. »Ich frage mich, wo wir wohl heute Nacht schlafen.«
Kai fragte sich, wann er je wieder würde schlafen können. Rachel ging ihm nicht aus dem Sinn, und er versuchte ihr Bild in seinem Gedächtnis zu verankern, bevor es verblasste. Das Glitzern in ihren Augen, wenn sie wusste, dass Kai im Begriff war, einen entsetzlichen Witz zu machen. Ihr entzücktes Lachen, wenn Lani sich einen Ringkampf mit dem Hund lieferte. Die Berührung ihrer Lippen. Der Duft ihres Haares, wenn sie sich kurz vor dem Einschlafen an ihn kuschelte. Ohne sie würde er lange auf den Schlaf warten müssen.
»Sieht so aus, als würden wir erst einmal mit der Flugzeughalle vorliebnehmen müssen«, sagte er dann. »Bei einer einzigen noch funktionierenden Startbahn auf den gesamten Inseln dürfte der Transport der Leute aufs Festland eine Weile dauern.«
»Es ist mir ein Rätsel, wie sie den ganzen Sprit für die Flugzeuge hierherbringen wollen«, erwiderte Reggie. »Angeblich soll Hawaii mit dem größten Schiffskonvoi seit dem Zweiten Weltkrieg versorgt werden. Wer weiß, wie lange es dauern wird, bis der zustande kommt. Es gehen mindestens zwei Wochen ins Land, bis er hier ist. Ich wette, die halbe Bevölkerung wird aufs Festland …«
»Reggie«, unterbrach ihn Kai, »hast du etwas dagegen, wenn wir hier einfach stehen und nichts sagen?«
Reggie nickte zustimmend und lehnte sich gegen das Geländer. Kai wollte einen Augenblick für sich sein, bevor er sich der Wirklichkeit mit all ihrem Elend stellen würde.
Gedankenverloren standen sie da, dachten darüber nach, was sie alles verloren hatten und was die Zukunft wohl bringen würde. Ihr Blick ruhte auf dem glatten blauen Ozean, der heiter in der Ferne flimmerte.
Epilog
Ein Jahr später
Kai lehnte sich zurück und sah hinüber auf den Mount Rainier. Er war in seinem neuen Haus und saß vor seinem Laptop. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Der Frühling war schon fast vorbei, aber die Berghänge waren noch schneebedeckt. Das kühle Wetter in Seattle störte ihn viel weniger, als er sich erinnerte. Nun mochte er die frische Luft sogar, aber nicht aus diesem Grund war er zurück in den Staat Washington gezogen.
Der Grund war auch nicht darin zu suchen, dass der Puget Sound zweihundertfünfzig Kilometer vom Pazifik entfernt lag. Trotz der Ortsveränderung musste er immer an den Ozean und den Schreckenstag in Honolulu denken.
Die Fotos der Katastrophe, viel eindrücklicher als das zahlreiche Filmmaterial, ließen ihn nicht los.
Der Anblick der USS Arizona, die, vor sechzig Jahren versenkt, von dem Tsunami an Land gespült worden war und nun neben der USS Missouri lag, auf der die Japaner die Kapitulation unterschrieben hatten, die den Krieg beendete …
Honolulu, aufgenommen vom Rand des
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