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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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unternehmen sie immer.
    Auf dem Rückweg will ich rasch bei Knut hereinschauen, im Vorbeifahren. Auf dem Markt habe ich diesen halben ›Loup-de-Mer‹ gesehen, einen mittelgroßen; ›Loup-de-Mer‹ ist speziell schmackhaft und wunderbar zart. Ich habe ihn spontan für Knut gekauft, immer noch im Gedanken an die verpasste Bouillabaisse. Er liebt Fisch. Vor allem kaufte ich ihn, weil Felix tot ist, weil er ihm fehlen muss, irgendwie zum Trost.
    Nichtsahnend öffne ich Knuts Kühlschrank, lege den Fisch hinein. Eigentlich geht mich Knuts Kühlschrank überhaupt nichts mehr an, seit Uschi seine Partnerin ist. Wenn jemand seine Nase in Knuts Kühlschrank stecken darf, ist sie es. Doch wenn ich es so von fern beurteile, scheint sie dies nicht als ihre Aufgabe zu betrachten.
    Das Gefrierfach öffne ich so nebenbei, vielleicht will ich sehen, ob Fischkartons drin sind, oder vielleicht schaue ich, ob Platz wäre für einen weiteren Fisch. Ganz vorn im Fach liegt der Gefrierbeutel. Ich denke, da ist ja noch Fleisch, dann denke ich, da scheint etwas nicht fachgerecht eingefroren zu sein, nicht vakuumiert und keine Klammer. Ich hatte doch gemeint, Knut sei ein recht guter Hausmann, Uschi als Fachfrau könnte zumindest Tipps abgeben. Ich ziehe den durchsichtigen Plastikbeutel heraus – und halte den Atem an: eine kleine, grässliche, gelbe Männerhand. Es muss eine Männerhand sein, auch wenn die Finger relativ dünn zu sein scheinen, es sind die Gelenke und die Fingernägel. Fassungslos drehe ich den Beutel vor meinem Gesicht hin und her, mein Magen dreht sich mit. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die gleich losschreien, und wer wollte es hören. Ich schließe den Mund. Den Beutel knalle ich ins Fach zurück, schlage die Klappe zu. Da drin ist die Hand eines Menschen, eine tote menschliche Hand – die Hand.
    Wegwerfen oder Moshe zu fressen geben, dann geschieht nichts Schlimmeres. Damit will ich nichts zu tun haben.
    Knut kann in seinem Kühlfach aufbewahren, was immer er will und woher auch immer er es hat, Kalbszungen oder Menschenhände. Es geht mich nichts an. Ich habe das Kühlfach gar nicht geöffnet. Jetzt, nach dem Schließen, kann ich es damit bewenden lassen, die Hand vergessen. Kein vernünftiger Mensch stellt sich einer rennenden Kuhherde in den Weg. Ich weiß von gar nichts.
    Natürlich rege ich mich auf, bin schon an Knuts Telefon und rufe ihn im Amt an. Wenn er noch dort ist, arbeitet er noch, also ist jeder Anruf ungelegen. Er muss den Hörer einfach abnehmen.
    »Ich bin hier bei dir zu Hause, du musst heimkommen, jetzt. Ich habe etwas gefunden und werde wahrscheinlich hysterisch werden, bis du da bist.« Dann nehme ich aus dem Schnapsschränkchen eines der Minifläschchen ›Underberg‹, kippe es in einem Zug. Es schüttelt mich. Wie kommt Knut dazu, in seinem Gefrierfach diese Hand aufzubewahren. Vor drei Tagen schien er doch daran zu zweifeln, dass Meret Platen eine Hand gefunden habe. Hier scheint eine Hand zwischenzulagern, von wem auch immer sie stammt. Es ist auf jeden Fall unethisch, nach meinem Wissensstand fällt es unter Leichenschändung, ist strafbar.
    Knut hinkt herein. Er hinkt, wenn er in Eile ist oder wenn er sich aufregt.
    Natürlich war es Felix, der diese Hand ins Gefrierfach seines Kühlschranks gelegt hat, wer denn sonst? Jetzt bin ich es, die zweifelt. »Woher willst du das so plötzlich wissen? Wie soll Felix auf etwas so Unsinniges gekommen sein?« Wie ein Tiger laufe ich um den Tisch. »Es wäre auch zu praktisch, einem Toten kann irgendetwas in die Schuhe geschoben werden. Du selbst kannst diese Hand dort hineingelegt haben. Wer sagt, dass du niemanden getötet hast; niemanden erpresst, der getötet hat. Du könntest auch selbst erpresst werden, zum Beispiel weil du diese Hand hast. Rein theoretisch könntest du diese Hand doch auch Felix abgenommen haben, zum Beispiel oben im Bienenhaus. Dann hättest du sie hier deponiert, ›vergessen‹. Deine Aussagen sind doch mit Vorbehalt zu genießen, wenn du eine Hand in deinem Kühlschrank hast!«
    Knut ist entsetzt über meine Fantasien, dann sieht er das leere ›Underberg‹-Fläschchen, seine Mundwinkel zucken trotz allem, es ist ja nur natürlich, dass ich geschockt bin. Ich widerspreche. Sage etwas irritiert: »Schockieren lasse ich mich nicht so schnell.«
    Knut schwört, diese Hand eben jetzt zum ersten Mal zu sehen. »Der Gefrierbeutel muss auf Fingerabdrücke untersucht werden, hast du den Beutel angefasst? Abgesehen also

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