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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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Roos, des Chauffeurs, der in Straßburg erschossen wurde? Der wurde doch sicher seziert. Sind ihm Leichenteile entnommen worden? Wo kann in letzter Zeit ein Mann verschwunden sein?
    Von seinem Laptop aus mailt Sven nach Straßburg. Ich schaue auf seine Hände, groß, muskulös, starke Venen, lebendig. Er mailt auf Französisch mit dem Risiko, Fehler zu machen, doch so kriegt er möglicherweise eine Antwort. Er hat noch immer kein Protokoll zu diesem Todesfall im Bahnhofparking erhalten. Ein alter Mann wurde hier tot aufgefunden, vierundsechzig. In diesem Zusammenhang ist eine Hand aufgetaucht, Sven schreibt ›apparût une main humaine‹. Weiß man in Straßburg etwas dazu? Wir sollten einen Datenvergleich machen können.
    Sven Dornbier ist muskulöser geworden, seine Gesichtszüge kantiger. Er betreibt noch immer Fitness – ich lache ihn an, es ist die Reife.
    * * *
    Zu Hause überlege ich, diese Hand geht mich in Wirklichkeit nichts an. Sie gehört einem Fremden. Knut lebt sein eigenes Leben und einzig, weil sein Freund gestorben ist und dieser warum auch immer eine Hand herumgetragen hat, ist das kein Grund, mich irgendwie bedrücken zu lassen. Ich fühle mich nämlich froh und Noëls Problem wird sich in einem guten Gespräch mit seiner Lehrerin lösen.
    Es war immer unterhaltsam, mit Sven Dornbier zusammen zu sein, blitzgescheit wie er war. Damals war ich doch auch lustig. Es kommt wie eine Erleuchtung. Ich möchte wieder so sein; mich wieder so bewegen, als wäre ich knapp zwanzig, leichtfüßig. Mit jemandem wieder so zu sprechen, wie es vor zehn Jahren natürlich war, unbeschwert, fröhlich, keine gescheiterte Ehe, keine Verantwortung für ein Kind. Während unserer Studienzeit trainierten wir im selben Kraftraum das allgemeine Studentenfitnessprogramm. Möglicherweise war es von Svens Seite gar nicht nur Zufall gewesen, wenn wir so oft um die gleiche Zeit dort waren. Wir könnten das wieder tun.
    Im Telefonbuch und im Straßenverzeichnis vergewissere ich mich, dass er wirklich allein lebt. Ich rufe ihn an.
    Wir verabreden uns im Fitnesskeller der Polizei, der auch von den Beamten der Gerichte genutzt wird. Ich bin früher schon hier gewesen, mit Knut. Vielleicht kennt mich noch jemand. Falls jemand fragt, werde ich als Svens ›Gast‹ gelten.
    Nach dem Duschen werden wir an der improvisierten Fitnessbar sitzen, werden beide ein riesiges Glas Aufbaugetränk mit Orangengeschmack trinken, Selbstbedienung aus dem Kühlschrank. Wir werden spaßen, ich werde froh sein. Ich werde die frühere Unbeschwertheit zurückgewinnen. Ich will. Sven war früher für Training ohne Abrackern, mir hatte das Schwitzen Spaß gemacht, jetzt wird sich das gewendet haben, ich werde die sanfte Methode vorziehen, einfach Bewegen der Muskeln, der Rest ergibt sich von allein. Mag er Doppelkilos wuchten.
    * * *
    Ich bin mit Sven im Fitnessstudio. In den sanften Phasen, in denen wir auf den Tretbändern laufen, radeln, liegen, radeln und stretchen, lässt sich dies und das bereden.
    Die Antwort aus Straßburg zum Beispiel ist prompt eingetroffen. Das Gerichtsmedizinische Institut gibt zwar die Leiche des Fred Roos noch nicht frei; da keine Angehörigen da sind, gebe es keinen Anlass zur Eile. Die Akte jedoch ist abgeschlossen, alle Daten sind schon an die Arbeitgeberfirma ›Delton Biotec‹ geschickt worden. Man hat in der Zwischenzeit routinemäßig Leichenteile entnommen. Die Leiche hat jedoch noch beide Hände. Straßburg bittet jetzt umgehend um eine amtliche Bestätigung zur Freigabe der Leiche zur Kremation. Die Unterlagen werden per Post folgen. Das Wichtigste, sie haben den genetischen Code mitgeliefert.
    Sven hat Fred Roos’ Gendaten sofort mit jenen der Hand verglichen; mit den zwei Händen, die noch dran sein sollen, kann man sich trotz der Bestätigung nicht ganz sicher sein, weiß man doch nie, was so Gerichtsmediziner wegschneiden oder allenfalls wieder annähen. Der wichtigste Fakt ist: Die gefundene Hand kann genetisch nicht zu Fred Roos gehören.
    Sven hat daraufhin den Fall Roos, der ja bisher in Straßburg lag, an sich genommen. Er ist dafür extra nach Straßburg gefahren, eine Gelegenheit, seine ›BMW‹ ein bisschen auf Touren zu bringen. Er hat sich mit dem Leiter der Gerichtsmedizin unterhalten, er hat sich dazu mit dem ›Dictionnaire‹ vorbereitet, denn natürlich spricht dieser nicht deutsch, noch wenn er es könnte. Sven hat die einschlägigen Fachausdrücke verwendet. Er hat sich die Leiche zeigen

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