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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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davon, dass deine Abdrücke darauf sein werden, von mir sind keine darauf. Der Beutel sieht aus wie einer von meinen Gefrierbeuteln, Felix muss ihn von meiner Rolle abgerissen haben. Auf jeden Fall werden Felix’ Fingerabdrücke darauf sein, und das wäre dann der Beweis, dass es sein Findling ist.«
    Dreht sich jetzt die Küche?
    Wir rufen Sven Dornbier an. Nach einer Viertelstunde ist das Heulen eines Motorrads zu hören, schon fährt er durch die kleine Straße, den Verhältnissen nicht angepasst. Weiß ein Kommissar eigentlich, wo sich die Radarkontrollen befinden? Im Garten reißt er sich den Helm vom Kopf, seine hellen Haare flattern. Knut öffnet die Tür, im Eingang muss sich Sven seiner Ledermontur entledigt haben. Er trägt Jeans und Hemd und um den Hals ein Silberkettchen mit blauem Widderanhänger. Wir begrüßen einander eher förmlich mit Handschlag und ›Du‹, er ist im Dienst und auf dem Küchentisch liegt in einem Plastikbeutel eine Hand.
    Es dauert. Der ›Underberg‹ hat mich geschafft und ich habe Sven seit Jahren nicht mehr gesehen: Er ist größer, als in meiner Erinnerung, bewegt sich geschmeidig, sieht umwerfend gut aus mit dieser blond gesträhnten Mähne. Er redet trocken, dabei schaut er betont gleichgültig, wenn er in meine Richtung blickt, er redet mit Knut, ich sehe sein Profil: römisch.
    Sven ist ganz und gar nicht angetan von Knuts Verhalten. Er wird eklig, was er in meiner Gegenwart nicht tun sollte: »Soll das jetzt typisch sein für einen Polizisten? Wie kommst du dazu, mich nicht über ein wichtiges Gespräch mit Frau Meret Platen zu orientieren, nur weil du dir die Meinung erlaubst, diese Frau sei überspannt und fantasiere? Du hast eine Information nicht weitergeleitet. Du bist befreundet mit zwei Männern, die innerhalb einer Woche tot sind, einer erschossen, einer mit Genickbruch. Jetzt erst, da deine Tochter in deinem eigenen Kühlschrank eine abgetrennte Hand findet, fühlst du dich geneigt, mich zu informieren. Es gibt Leute, die benutzen das Gefrierfach so oft wie ihr Gehirn.«
    Auch wenn er recht hätte, das ist kein Niveau! Auch wenn diese Hand nahelegt, dass der Tod im Bienenhaus kein natürlicher Tod gewesen sein könnte. Natürlich ist es extrem wichtig, wenn sich eine Zeugin auffällig verhält, Realitätsnähe oder Realitätsverlust lässt sich oft erst durch Fachleute beurteilen. Wenn man Knut übel wollte, käme dies ja auf Begünstigung dieser Frau Platen sowie auf das Unterschlagen eines ganz wesentlichen Beweisstücks hinaus, nämlich der Hand. Aber er hat es ja nicht gewusst. Ich glaube ihm. Jetzt, da Sven so etwas Absurdes überhaupt ausspricht, gehe ich sofort zu Knuts Verteidigung über, nicht zu plump. Einfach unterbrechen:
    »Das Positive an dieser Hand liegt doch darin, dass wir einander wieder getroffen haben. Hättest du gedacht, dass ich eine eigene Kanzlei habe und dass mein Junge schon acht Jahre alt ist? Lass uns systematisch von vorn anfangen, ad acta.« So hatten wir es früher in unserer Clique gehandhabt, mit einem Zwack muss ein falscher Gedankengang abgeklemmt werden. Es war das Signal, sich zusammenzureißen, eingefahrene Geleise zu verlassen, ohne Absicherung zu springen, so richtig das Beste zu geben – ganz zuletzt war es unser Mutmacher vor dem Examen. Sven lacht auf, überrascht, ich hab ihn erwischt.
    »Jetzt finde ich, wir haben sie genügend lang ansehen müssen.« Als wäre es nichts, nehme ich einen Bogen Küchenpapier, fasse den Beutel, gehe resolut damit zum Kühlschrank, nur nicht schwanken, lege ihn ins Gefrierfach zurück. Jetzt endlich trinken wir Kaffee. Wir konzentrieren uns zu dritt, Brainstorming: Zu wem gehört diese hässliche, leicht verweste, jetzt gefrorene Männerhand? – Wieso ist sie nicht an einem Arm? Wieso ist es die rechte Hand? Wie wäre sie in den Rosengarten von ›Holsten‹ geraten? Woher sonst sollte sie hierher kommen? Es ist eine Männerhand, die kleine Hand eines älteren Mannes, vielleicht vierzig, Feinarbeiter oder Kopfarbeiter, relativ dünne Finger, feinnervig. Es könnte auch die unbenutzte rechte Hand eines Linkshänders sein. Auf den ersten Blick sieht es nach einem Gefrierschnitt aus, wobei diese Hand irgendwo gelegen haben kann, in einem Garten? Auf ›Holsten‹? Dann war der Körper tot. Sie kann aus einem Spital stammen, eine Amputation, oder von einem Toten, also von einem Unfall. Wo wird seziert? Es hätte ›Abfälle‹ geben können. Wo ist eigentlich die Leiche dieses Fred

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