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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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Daten ausdrucken. Das mit den Lohneinstufungen erklärt sich dadurch, dass Fred Roos vor Jahren einfacher Sicherheitsangestellter, dann privater Sicherheitsbeauftragter, dann einerseits Sicherheitsverantwortlicher, dazu aber auch Bodyguard und Spezialbeauftragter der Direktion war. Er fällt in jene Gruppe, die außerhalb der regulären Lohnklassen geführt wird.
    Ja, sie führen auch eine Datei mit den Versicherungen, mit den laufenden Unfällen, mit den Krankheiten. Daraus werden jeweils Statistiken angelegt. Es lassen sich Häufigkeiten herausfiltern.
    Die Daten des Fred Roos waren annähernd das, was Sven über ihn schon wusste. Sie entsprechen den ersten Auskünften von Herrn Direktor Platen-Alt gleich nach der ersten Kontaktaufnahme, buchstabengetreu. Dieser muss sich sofort informiert haben. Es ist schon erstaunlich, er muss das Dateiblatt eines seiner obersten Sicherheitsbeauftragten sehr gut gekannt haben, besser als der Chef der Personalabteilung im Rang eines Vizedirektors.
    Ich muss unterbrechen: »Ich habe nicht mitgekriegt, wann er das gesagt hat, am Sonntag, da bist du doch nicht wegen Fred Roos, sondern wegen Felix Gamba nach ›Holsten‹ gegangen!«
    Sven lässt sich nicht beirren. »Das war am Telefon. Weil ich ihn schon kannte, dachte ich, ich will hören, was er sagt, wenn er hört, der Sicherheitsbeauftragte, der für ihn persönlich zuständig war, sei erschossen worden. – Er hat es fast sportlich entgegengenommen, als wäre es Routine. Man ist wohl so, wenn man zuoberst hinkommen will, der Tod eines von x-tausend Angestellten kann dich nicht erschüttern. – Völlig verrückt ist diese letzte Datenbank, die Raven öffnete. Da ist von jedem bis zum hintersten und letzten Magaziner einfach alles erfasst, die Fingerabdrücke aller zehn Finger, der Iriscode und der genetische Fingerabdruck. Das mag ja nicht in jeder ihrer Unterfirmen so sein, doch hier am Hauptsitz tun sie es, dies ausgerechnet in einer Chemiefirma, vielleicht gerade deshalb.« Sven zweifelt und ich stimme ihm zu, das kann nicht gesetzeskonform sein. Wer, wenn nicht ihre Forscher, kann aus diesen Formeln lesen, was keine Firma und niemanden etwas angeht, persönlichste Daten, die größtenteils noch nicht einmal der dazugehörende Mensch kennt. Sven sucht ja keinen Streit, doch gesagt sein muss es. Er wird mit dem für die Stadt zuständigen Kollegen darüber reden, doch es interessiert ihn auch persönlich. Er wird abklären, wie weit dies in international tätigen Firmen üblich ist, ob dies in Firmen mit Niederlassungen in den Staaten womöglich verlangt wird, ob Partnerschaften mit weltweit operierenden Firmen ohne diese Sicherung gar nicht eingegangen werden. Natürlich berücksichtigt er diesen Sicherheitsaspekt, auch den Schutz der Mitarbeiter, doch er geht eher vom Persönlichkeitsschutz aus.
    Ich beginne, Gewichte zu stemmen, jetzt muss ich einfach schwitzen, als müsste ich irgendeinen Ärger loswerden. Ja, ich bin ein wenig neidisch auf Sven, der rasch nach Straßburg fahren kann, der rasch eine Firma besichtigen kann, der auftreten kann, wo immer er will; sein Beruf ist so abwechslungsreich. Dass er ›Holsten‹ von innen sehen konnte, mit allen Bildern und Möbeln, das geht mir nah, weiß der Kuckuck warum. Ich stelle mir die Größe vor. Wenn reiche Leute Geschmack haben und Sinn für Kunst, dann entsteht etwas Schönes, Wohnen als Lebenskunst. Ich stelle mir vor, ich sei es, die durch diese hellen Zimmer gegangen wäre.
    Ich rudere verbissen auf dem Ruderbock, wie früher. Nichts von meinen Vorsätzen, Fitness geruhsam angehen zu lassen. Ich steigere die Anzahl der Hauruck-Bewegungen.
    Ich muss es wissen, irgendwo in einer meiner Gehirnwindungen wartet etwas darauf, dass ich es antippe. Sport klärt die Gedanken, die Durchblutung könnte ja auch die Ganglien elektrischer machen, der Funke muss springen. Also vor und zurück, vor und zurück. Sven stemmt neben mir Gewichte. Diese Hand, die nicht zu Fred Roos gehört, im Augenblick lässt sich zumindest eine Klonhand noch ausschließen.
    Jetzt habe ich es. Die ›Delton Biotec‹ archiviert sämtliche Daten ihrer Mitarbeiter, auch den genetischen Fingerabdruck. Das erleichtert der Firma die komplizierte Verwaltung, geschehe, was wolle. Auch meine Generation ist zumindest am Rand noch auf Rechtsstaatlichkeit erzogen. Damit bewegen wir uns mit unserer Arbeit und mit unserem Denken automatisch innerhalb dieser Grenzen. Diese Grenzen sind eine Fiktion, in der

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