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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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Obstbäume, die in Baumschulen in Containern gezogen werden, lassen sich das ganze Jahr pflanzen. In kleinen Gärten und auf Terrassen bewähren sich Spaliere und Spindeln. Auch Quitten lassen sich zu Spalieren formen. Als Spalier wirken sie kompakter als der doch etwas besenartige Quittenbaum. Der Ertrag eines Spaliers ist für eine Familie völlig ausreichend. Vom Frühling bis in den Spätherbst bewährt sich der Baum mit seinen dunkelgrünen Blättern als dekorativer Wind- und Sichtschutz. Die Quitte benötigt auf einer Grundfläche von einem auf etwa fünf Metern ein Spaliergerüst von guter Qualität: zwei große Pfähle, fester Draht.
     
    Sven oder Claas – nicke ich mitten am Nachmittag an meinem Computer ein, träume ich eine Sekunde lang von Sven. Duselig bedaure ich, beim Betreten seines Büros nicht romantisch erleuchtet worden zu sein. Weder habe ich ein besonderes Licht noch den Hauch eines wundersamen Dufts wahrgenommen, als er mir um den Schreibtisch im Gegenlicht des Fensters entgegengekommen ist, keinerlei Déjavu-Erlebnis. Sven hat einzig diese erstaunlich hellen Augen und ist unerwartet groß; überraschend, wie froh mich sein Lachen macht.
    Oder Claas. Das Herzflattern, das leichte Schwindelgefühl, die Wärme im Sonnengeflecht und im Bauch – so wäre die richtige Liebe. Du fändest den Menschen, um dessentwillen du den manchmal eher anstrengenden Weg bis hierher gegangen bist. Mit dem du eine bestimmte Strecke gemeinsam gehen willst, die Zeitspanne ist relativ, es kann mehr als eine Stunde sein, länger als eine Nacht.
    Der langen Überlegungen kurzer Sinn, ich habe Lust, mit Sven auszugehen. Keine Fälle besprechen, weder Fakten noch Mutmaßungen. Als schöne Frau mit einem schönen Mann essen zu gehen, nach Hause zu gehen, ohne Noël. Die Frage ist bloß, kann ich Claas dazu als Babysitter engagieren? Gott, ist die Welt kompliziert. Noël ist acht Jahre alt. Mit Moshe ist er nicht allein. Wenn er sich langweilt, kann er Knut anrufen. In der oberen Wohnung wohnt ein netter Mieter, den frage ich, ob er da ist. Fertig. Wir kommen hier nach Hause und schlafen da. Die weitere Frage ist die, muss ich jetzt zuerst den Babysitter fragen oder rufe ich zuerst Sven an, schon nur um zu wissen, ob ich überhaupt einen Babysitter benötige.
    Eine Schrecksekunde, als sein Anrufbeantworter klickt, doch da ist schon Svens Stimme. Er ist allein, er hat nichts vor, er hat Lust, mit mir Essen zu gehen, rein privat.
    * * *
    Privat heißt in meinem Sprachgebrauch, wir reden nicht über den Fall. Natürlich redet Sven den ganzen Abend ausschließlich darüber. Er spielt, ohne es zu bemerken, mit Messer und Gabel, schiebt automatisch das gute Essen in den Mund, trinkt gedankenlos ein Glas Wein. Redend scheint er Fakten zu ordnen – was habe ich erwartet?
    Höre ich überhaupt richtig zu?
    Schon vor dem Salat ist das Thema gesetzt. Mattis Platen-Alt hat ihn zu einem Treffen eingeladen in sein großartiges Büro mit der umwerfenden Aussicht über die Stadt. Du siehst in einem Rundblick bis in die Vogesen. Sven schwärmt geradezu von diesem gläsernen Edelbürogebäude, die Eingangshalle von der Größe einer Turnhalle, Kunst am Bau, eine elegante Vorzimmerdame, Kraft und Macht eines Konzerns. Reflexartig steht er in Ehrfurcht vor so viel Kultur, Markenzeichen, Marktwerten. Sven hat es zumindest äußerlich vermieden, sich anzubiedern, hat sich weder von Chagall noch von Cézanne beeindruckt gezeigt. Doch innerlich – beeindruckt eben.
    Mattis Platen-Alt ist ihm auf der Ebene von gleich zu gleich begegnet, hat sich als Teamleiter dargestellt, der Idealtyp eines Konzernchefs, Yorge Droz als seinen kongenialen Freund. Sven ist noch nie jemandem begegnet, der über so viel Macht verfügt, dazu so bescheiden wirkt. Und dann die Kultiviertheit, die Wohlerzogenheit, der Respekt, den er ihm, dem Kommissar, entgegenbringt. Mattis Platen-Alt sieht sich als Humanisten, steht in der Tradition der Humanisten vom Oberrhein, Erasmus, Reuchlin, die beiden Amerbach – kulturgetränkt. Aus diesem humanistischen Geist ist er brennend an der Forschung interessiert, aus einem Weltblick sozusagen. Sven schwärmt geradezu von Platen-Alts nordisch blauen Augen. Ich denke, blau gefällt mir, sie können gar nicht so blau sein wie diese blauen Augen mit dem grünen Schimmer darin, in die ich gerade von relativ nah sehe, müde Augen.
    Hier ist die Gelegenheit zu einer Unterbrechung, wir stoßen an. Ich mache den kläglichen Versuch eines

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