Todesformel
anrufen. Daraufhin war gleich klar, unterschrieb sie nicht, gingen sie nicht so schnell wieder weg. Also hat sie unterschrieben.
Jetzt erst regte sie sich so richtig auf, schmiss den erstbesten Gegenstand auf den Küchenboden, die Teekanne, die in hundert Scherben zerbrach, ihr folgte der gläserne Aschenbecher, der sie schon immer genervt hat. Sie hat einen Kontrollgang gemacht, vom Speicher in die Garage, in den Estrich, ins Glashaus, in den Keller, hat Licht gelöscht, wo es brannte, jene Fenster geöffnet, die offen zu stehen hatten, geschlossen, was zu schließen war. Sie zog auch das Tenntor wieder zu, hier war das Schloss aufgebrochen.
Alja sieht sehr zerbrechlich aus in ihrem fliederfarbenen Hausanzug, die roten Haare zum Wuschel gekämmt, die Wimpern getuscht, die Augenbrauen frisch gezogen, die Lippen rot. Wieder einmal fallen mir ihre gepflegten feinen Hände auf. Wir trinken noch eine Tasse Kaffee.
Überlegt sie es sich richtig, war dies eine lausige Hausdurchsuchung. »Sie haben nicht einmal den Verschlag unter der Treppe bemerkt, der direkt ins Glashaus führt, von vorn nicht und von hinten nicht. Ins Glashaus sind sie gar nicht richtig hineingegangen. Bei einer richtigen Hausdurchsuchung geht man doch anders vor. Sie suchten gezielt nach allem, was sie mitnahmen. Erinnerst du dich an den Kinderreigen: Alle Kinder sitzen im Kreis, eines läuft mit irgendeinem verknoteten Tuch ringsum, damit wird unvermutet ›auf einen Busch‹ geschlagen. Alle Kinder mussten in diesem Moment an einen anderen Platz rennen. Wer sich zu früh aufscheuchen ließ, wurde meist zuerst eingefangen.«
Unvermittelt ermahnt Alja sich zu Gelassenheit. Die Störung ist nur außerhalb, man darf sich nicht darauf einstellen, falls dies der Zweck sein sollte.
Wir reichen eine Beschwerde ein, aus Prinzip. Das Schloss des Tenntors wurde grundlos aufgebrochen, es ist zu ersetzen. Alja ist eine unbescholtene Bürgerin und es ist unerklärlich, wie man dazu kommt, ohne jede Angabe von Gründen die Mühle zu stürmen. In Aljas Alter könnte dies zu einem Herzinfarkt führen.
Ich rufe Knut an, auch er hat schon von dieser seltsamen Aktion gehört. Ich muss mich mit Sven treffen. Es ist allein seine Staatsanwaltschaft, die hier auf den ›Höhen‹ Hausdurchsuchungen anordnen kann.
Eine CD auf einem Tennenboden gleicht doch einer Nadel in einem Heuhaufen. Knut und Sven wissen nichts davon. Wir erwähnen sie nicht.
* * *
Ich betrete die Spanische Weinhalle, Sven ist schon da, kommt mir zwischen den Tischen durch entgegen. Ich sehe ihn, er ist mir vertraut und ich freue mich, da fühle ich das Flattern in der Magengegend – ich bin in ihn verliebt. Ich bin überrascht, Sven hat sich die Haare schneiden lassen, sieht jugendlich frisch aus, braun gebrannt vom Heliskifahren am Wochenende. Hautenge Jeans, ein weißes Hemd, ein schwarzer Blazer, wieder atme ich tief ein, unverfängliche Begrüßung.
Doch die Stimmung ist von Anfang an kühl, es muss an den Sternen liegen. Ich sitze sehr gerade, heute wird kein Ausschnitt zu tief rutschen und zum Kuckuck mit der Liebe. Am Automaten hole ich mir ein Päckchen Zigaretten, der Kellner gibt mir Feuer, legt ein Werbefeuerzeug der Firma ›Delton Biotec‹ neben den Aschenbecher. Ich rauche schon vor dem Essen, inhaliere.
»Du bist der Kommissar, in dein Rayon gehören die ›Höhen‹. Bei Alja wurde heute Morgen um vier Uhr eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Was sollte das? Alja ist meine Freundin, vorbehaltlos. Hast du eigentlich einen Freund, einen, dem du in jeder Lebenslage zur Seite stehst, dem du vertraust, dessen Angelegenheit deine Angelegenheit ist? Man hat Aljas gesamtes Büro mitgenommen, als freischaffende Kolumnistin ist sie darauf angewiesen. Ich habe eine Beschwerde eingereicht im Allgemeinen und im Besonderen. Wir verlangen ein Schmerzensgeld.«
Sven hat es angeordnet – habe ich es nicht gewusst! Eigentlich wollte er heute beim Essen nicht schon wieder damit beginnen, erst nach dem Essen beim Kaffee.
»Jennifer, ich konnte doch keine Vorwarnung geben. Wie hätte es auch gehen sollen, mit einem Anruf womöglich? Wenn wir meinten, es sei ein schwieriges Spiel‹, so stimmt das nicht. Es ist auch für uns tödlicher Ernst. So wenig du wissen kannst, wo es langgeht, so wenig weiß ich es. Du bist Parteienvertreterin, wir dürften uns gar nicht treffen. Wenn wir hier bei einem Essen gemütlich beisammensitzen, aussehen wie ein Paar, fallen wir am wenigsten auf. Das hier,
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