Todesfrist
gesprochen.
»Heroin?«, fragte sie.
»Ich spritze nicht.«
»Heroin kann man auch schnupfen«, antwortete sie, »aber ich denke, das wissen Sie.«
»Ja, Heroin auch«, murrte er.
»LSD?«
Diesmal schüttelte er den Kopf. »Das Zeug würde ich nie anfassen.«
»LSD hatte schon immer einen schlechten Ruf, aber früher wurde es sogar in der tiefenpsychologischen Forschung verwendet«, erklärte sie.
»Kein Scheiß?«
»In den Fünfzigerjahren wurden Alkoholiker mit LSD geheilt.«
»Dann lieber Alkoholiker.«
»Keine Frage.« Sie schmunzelte. »Damals wurde es sogar in der Psychiatrie verwendet. Stanislav Grof setzte es bei besonders schweren Krankheitsfällen ein. Es liegen auch Ergebnisse bei Patienten vor, die an Krebs erkrankten oder unter Cluster-Kopfschmerzen litten.«
»Okay, mag sein, aber was hat LSD in der Psychotherapie zu suchen?«
»Es erweitert das Bewusstsein und löst Blockaden.«
Er lachte laut auf. »Fünf Gläser Whisky haben dieselbe Wirkung. Würden Sie etwa LSD verwenden?«
»Als Experiment zu Forschungszwecken?« Rose blickte zu ihrem Bücherregal, wo Romane von William Burroughs und Jack Kerouac standen. »Warum nicht?«
»Sie schwindeln mich doch an.«
»Keinesfalls«, log sie.
»Scheiße, ich fasse es nicht. Sie sind so bieder und würden Ihren Klienten trotzdem LSD geben?«
»Wenn es hilft. Tatsächlich verwenden wir ein Psychopharmakon namens Torrexin, eine abgeschwächte Form von LSD.«
Er kniff die Augen zusammen. »Sie verarschen mich doch. Psychotherapeuten dürfen keine Medikamente verschreiben!«
»Aber Ärzte – und ich habe Medizin studiert.«
Carl kaute an den Fingernägeln. Er hatte angebissen, und nun hatte sie ihn am Haken. Sie blickte zur Uhr. Noch knapp fünfundzwanzig Minuten. Sie durfte es nicht verbocken. Es war der einzige Erfolg versprechende Weg, den sie jetzt noch mit ihm gehen konnte. Eine weitere Tiefenentspannung würde nichts bringen, ebenso wenig eine Tonbandaufzeichnung in Heimarbeit, die innere Bühne mit Figuren nachzustellen oder den Gefühlen eine Gestalt zu geben, wie der Aggression die Form einer weißen Taube. Ihre Methoden waren nahezu erschöpft – Carl hatte sie fast alle abgelehnt. Blieb diese eine. Sie hatte zwar nichts mehr mit Psychotherapie zu tun, doch Rose wollte Carl um jeden Preis helfen – letztendlich, um ihn von ihr fernzuhalten.
»Was ist Torrexin?«, fragte er.
»Eigentlich sollte ich nicht mit Ihnen darüber reden. Zumal Sie bereits Erfahrung mit Drogen gemacht haben und gerade deshalb bei mir in Therapie sind.«
»Kommen Sie, ich könnte es auch googeln, falls Sie es mir nicht verraten.«
»Na schön, in Fachkreisen nennen wir es Wahrheitspille. Sie löst Blockaden im Hirn, sodass man frei über alles sprechen kann, ohne dass es vom Bewusstsein zensiert wird.«
Er rückte näher. »Was würde Torrexin bei mir bewirken?«
»Sie würden den verdrängten Gefühlen gegenüber Ihrer Mutter und Ihrer toten Schwester freien Lauf lassen.«
»Wozu wäre das gut?«
»Sie könnten alles sagen, ohne sich später dafür schämen zu müssen. Das ist der Vorteil von Torrexin. Sie lassen alles raus und haben nachher kein schlechtes Gewissen. Manchmal wird damit in der Therapie ein Durchbruch erzielt.«
»Und warum wird dieses Wundermittel nicht ständig verwendet?«
»Torrexin ist teuer. Die Einnahme erfolgt auf freiwilliger Basis. Kein Klient kann dazu gezwungen werden. Außerdem erfahren die meisten nicht einmal, dass es diesen Stoff gibt. Sie haben mir die Information ja selbst aus der Nase gezogen.«
»Wie sieht die Pille aus?«
»Wechseln wir das Thema«, schlug sie vor.
»Wie sieht die Pille aus?«
»Sie sind vorbelastet. Wenn Sie damit einverstanden sind, würde ich sie Ihnen lieber nicht zeigen. Wir sollten das Thema wechseln und …« »Ach, kommen Sie.« Er rückte an den Couchrand. »Zeigen Sie mir das Wunderding.«
»Schön, Sie geben ohnehin keine Ruhe.« Rose erhob sich und öffnete den abgesperrten Medikamentenschrank. Sie reichte Carl eine Packung Torrexin mit blauem Logo.
Er betrachtete die Schachtel. Zehn Tabletten mit je 300mg, Wirkstoff: Methodoxinsäure. Wirkt innerhalb von fünf Minuten, maximal eine Tablette pro Woche. Bei Schwangerschaften nicht einnehmen!
Er öffnete die Verpackung und zog den Streifen heraus. Kleine hellblaue Dinger. Sieben Tabletten waren bereits aus der Folie gebrochen.
»Na hallo, Frau Doktor!«, rief er. »Sie haben schon eine Menge Klienten mit Dope
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