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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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versorgt.«
    »Torrexin ist kein Dope«, widersprach sie. »In manchen Fällen ist es hilfreich.«

    »Der Beipackzettel fehlt«, stellte er fest.
    »Es gibt keinen«, antwortete sie. »Sie können Torrexin nicht einfach wie einen Beutel Abführtee in der Apotheke kaufen.«
    Er brach eine Tablette raus.
    »Das sollten Sie nicht tun!« Rose wollte nach der Packung greifen, doch Carl zog sie zurück. »Geben Sie mir die Tabletten sofort wieder!«
    »Oh, oh, oh … warum so aufgeregt, Frau Doktor?« Carl lächelte verschmitzt. »So erregt kenne ich Sie gar nicht.« Er drehte die Tablette zwischen den Fingern. »Was hätte diese Pille bei mir für einen Effekt?«
    »Gar keinen. Sie hatten schon Erfahrung mit härteren Drogen, da wirkt Torrexin nicht.«
    »Sie lügen!«
    »Nein, es wäre so, als würde ich einem Cluster-Patienten ein halbes Aspirin gegen seine Migräne anbieten.«
    »Dann kann ja nichts passieren …« Carl nahm die Tablette in den Mund und spülte sie mit einem Schluck Wasser runter.
    »Verdammt!«, brauste Rose auf. »Was denken Sie sich dabei? Eine einzige Tablette kostet fünfzig Euro!«
    »Setzen Sie es auf Ihre Honorarnote ans Gericht.«
    Rose schloss für einen Moment die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. »Geben Sie mir die Packung zurück.«
    Er schob sie über den Tisch, und Rose steckte sie in die Westentasche.
    »Los, fragen Sie mich etwas!«, verlangte er.
    Sie funkelte ihn an. »Warum haben Sie das getan?«
    »Nein, was Ernstes!«
    »Warum haben Sie das getan?«, wiederholte sie.
    »Um Ihnen zu beweisen, dass Sie lügen und diese Tablette bei mir ebenso funktioniert wie bei allen anderen Klienten! Ich bin clean!«
    »Na schön, dann erzählen Sie mir etwas über Ihre Schwester.«
    »Das will ich nicht. Außerdem war die Schlampe nicht meine Schwester!«

    »Doch, das war sie. Ihre leibliche Schwester.«
    »Nein, ich kannte sie nicht mal.«
    »Geben Sie sich die Schuld an ihrem Tod?«
    »Was?«, rief er. »Sie starb vor meiner Geburt!«
    »Geben Sie sich die Schuld an ihrem Tod?«, wiederholte Rose.
    »Blödsinn!« Er ballte die Hand zur Faust.
    »Haben Sie den Eindruck, dass, wäre Maria nicht gestorben, Sie vielleicht heute gar nicht auf der Welt wären?«
    »Was soll denn dieser Schwachsinn bedeuten?« Carls Halsschlagadern begannen deutlich zu pulsieren.
    »Ihre Eltern wollten vielleicht nur ein Kind. Maria musste sterben, damit Sie geboren werden konnten.«
    Carl fuhr nach vorne. »Ich bin doch nicht schuld daran, wenn die Göre im Teich ertrinkt!« Er stürzte den Rest des Wassers in einem Zug hinunter. Mit zittrigen Fingern stellte er das Glas auf den Tisch.
    Rose atmete ruhig weiter und ließ sich die Überraschung nicht anmerken. Die nächste Frage stellte sie bewusst leise. »Ihre Mutter hatte Marias Tod nie verkraftet, nicht wahr?«
    »Die kleine Maria war so rein und unschuldig«, sagte er höhnisch. »Und so blieb sie allen in Erinnerung. Wäre die Kleine heute noch am Leben, wäre sie wahrscheinlich gepierct, tätowiert, würde sich in einem schmutzigen Hinterhof gestrecktes Heroin spritzen und hätte schon mehr Abtreibungen hinter sich als Tante Lore.«
    Unwillkürlich dachte Rose an das Bild einer weißen Taube, die Verkörperung von Carls Aggression. »Maria war für Ihre Mutter wohl ein heiliges Wesen. Sie tragen ihren Namen.«
    »Ich trage ihren Namen nicht!«, widersprach er. »Niemand nennt mich so.«
    »Als Carl Maria Boni lebt ein Teil Ihrer Schwester in Ihnen weiter.«
    »Nein, verdammt!«, brüllte er. »Ich bin ein Junge! Ein Junge, verflucht! Ich bin nicht meine Schwester! Sie können mich tausendmal
so nennen, ich habe mit dieser blöden Kuh nichts gemeinsam, auch wenn Mutter ihr heute noch nachweint. Ich bin ihr Sohn!«
    Rose stand auf und trat hinter die Couch. Sie legte Carl für einen Moment die Hand auf die Schulter. Diese Geste war ein absolutes Don’t, doch in diesem Moment konnte sie nicht anders. Für einen Moment spürte sie, wie Carl den Kopf neigte und ihren Arm berührte. Sie strich ihm kurz über die Schulter, als wollte sie seine Verspannung lösen, dann setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl.
    »Beruhigen Sie sich, Carl.« Sie blickte zum Diktafon. »Atmen Sie tief durch.«
    »Ich kann nicht … kann nicht …« Er begann zu weinen. »Diese Scheißtablette!«
    Sie reichte ihm ein Taschentuch. »Die Wirkung lässt gleich nach.« Die Aufnahme lief immer noch. Sie musste dafür sorgen, dass diesen Mitschnitt nie jemand von der

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