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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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hatte es nicht anders verdient!
    Sabine Nemez betrat die Küche und lehnte sich Helen gegenüber an den Herd. »Sie müssen es nicht tun.«
    »Ich weiß.«
    »Darf ich Sie etwas fragen?« Sie wartete, bis Helen nickte. »Warum hat Carl Boni meine Mutter getötet?«
    »Was meint Ihr Kollege dazu, der Kripopsychologe?«
    Sabine runzelte die Stirn. »Ich bin mir nicht sicher. Sneijder ist möglicherweise ein Genie, aber er lebt in seiner eigenen Welt, mit sich selbst als Mittelpunkt.« Sie klang nicht gerade begeistert.
    »Meiner Meinung nach ist Carl überdurchschnittlich intelligent,
aber nicht in der Lage, Mitgefühl zu empfinden«, erklärte Helen. »Er hat kein Schuldbewusstsein. Er lernt nicht aus Erfahrung, kann sich nicht in andere hineinversetzen, kann keine längerfristigen Beziehungen aufrechterhalten und missachtet sämtliche sozialen Normen und Regeln. Dazu kommt seine geringe Frustrationstoleranz. Sein Vater hat ihn mehrmals beinahe zu Tode geprügelt, in dem Wahn, seine Frau, die ihn regelmäßig betrog, würde die Familie wegen Carl verlassen.« Sie bemerkte, wie sich Tränen in Sabines Augen bildeten. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt …«
    »Sprechen Sie bitte weiter.«
    »Okay.« Helen dachte nach. »Stellen Sie sich das Ordnungssystem eines Soziopathen vor, und vergrößern Sie es mit einer übermächtigen Technik. Dann haben Sie eine annähernde Vorstellung von der Umgebung und der Welt, in der Carl lebt. Er hasst Fassaden, heuchlerische Beziehungen und Menschen, die ihre Partner betrügen. Lüge und Falschheit haben dazu geführt, dass er ein Leben lang misshandelt wurde. Rose Harmanns Therapie hat ein Ventil in ihm geöffnet. Ich nehme an, Ihre Mutter war eine von Carls Lehrerinnen.«
    Sabine nickte. »Danke.«
    Helen wechselte das Thema. »Wie kommen Sie mit Ihrem Vorgesetzten zurecht?«
    »Sneijder ist nicht mein Vorgesetzter. Ich arbeite beim Münchner Kriminaldauerdienst. Er hat mir gestattet, ihm bei den Ermittlungen zu helfen.«
    »Das beantwortet nicht meine Frage, wie Sie mit ihm zurechtkommen.«
    »Äußerlich wirkt er wie ein Arschloch. Aber ich glaube, tief drinnen ist er kein so mieser Kerl. Warum fragen Sie?«
    »Ich arbeitete früher als forensische Psychologin für die Kripo – bei einigen Fällen sogar mit Ben Kohler«, erzählte Helen. »Ich habe einige schräge Vögel kennengelernt, aber noch nie so einen Zyniker, der davon überzeugt war, das Maß aller Dinge zu sein.«

    Sabine schmunzelte bitter. »Sie haben eine ziemlich gute Menschenkenntnis.«
    »Ist mein Job«, antwortete Helen. Bei meinem eigenen Mann und einer Klientin hat sie jedoch versagt …
    Ben betrat die Küche. »Noch zehn Minuten, dann ruft Carl an.«
    Sabine drückte sich an ihm vorbei. »Ich lasse Sie lieber allein.«
    Ben berührte Helen an der Schulter. »Ich möchte nicht, dass du etwas Unüberlegtes tust.«
    »Komm schon, wir haben lange genug zusammengearbeitet. Habe ich je die Nerven verloren?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Was machen die Vorbereitungen?«
    »Eine Wega-Einheit ist einsatzbereit und wartet auf die Mitteilung des Übergabeorts. Außerdem wird ein Team des BKA sämtliche Zufahrtstraßen zum Treffpunkt observieren. Ich fühle mich nicht wohl, dich als Köder zu benutzen. Die Chancen stehen gut, ihn auch ohne deine Hilfe zu schnappen.«
    »Dann ist Rose Harmann vielleicht tot.« Eigentlich konnte ihr diese Frau egal sein, doch Helen war nun mal Therapeutin, und Anne Lehner war, wenn auch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, als Klientin in ihre Praxis gekommen. Es war paradox, aber Helen fühlte sich für die Geliebte ihres Mannes verantwortlich.
    Plötzlich läutete Bens uraltes Handy. Er blickte auf das Display. »Dein Mann«, sagte er knapp und nahm das Gespräch entgegen.
    »Guten Abend, Herr Staatsanwalt … nein, tut mir leid, ich schaffe es nicht zu Ihrer Feier. Ein dringender Einsatz … Ihre Frau?« Er warf Helen einen fragenden Blick zu.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht, wo sie steckt … ja, ich melde mich, falls ich etwas erfahre. Danke, auf Wiederhören.« Er drückte das Gespräch weg.
    Ben schwieg. Sie musste ihm nichts erklären. Er war nicht dumm und ahnte bestimmt, dass ihre Ehe im Argen lag.
    »Du hast deine Haare schneiden lassen«, sagte er schließlich. »Die Frisur steht dir gut.«

    »Das ist dir aufgefallen?«
    »Ich habe mir kürzlich deine Webseite angesehen. Wollte sehen, ob du noch immer deine alte Telefonnummer hast

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