Todesfrist
lösen, bleibt die entführte Frau wie versprochen am Leben. An ihre Stelle tritt jedoch die Person, die das Rätsel gelöst hat.«
Helen wurde für einen Moment schwarz vor Augen. Ihr Magen drehte sich um. Dusty stupste sie mit der Nase an.
Sneijder legte ihr das nächste Blatt auf den Tisch.
SPIELEN SIE MIT!
Helen schüttelte den Kopf. Sneijders Gesichtszüge versteinerten. Er deutete mit dem Finger auf das Blatt.
»Was haben Sie mit mir vor?«, fragte Helen.
»Sie haben das Rätsel gelöst und Rose Harmanns Leben gerettet. Nun spielen wir beide weiter – und Ihr Leben liegt in der Hand einer anderen Person.«
Nein, lag Helen auf der Zunge, doch Sneijder pochte unmissverständlich auf den Zettel.
»Ich gebe Ihnen eine Adresse, zu der Sie fahren. Kommen Sie dorthin, ist Rose frei.«
»Ich soll Ihnen vertrauen?«, rief Helen.
»Wollen Sie schuld an Doktor Harmanns Tod sein?«
»Sie wissen, was mir diese Frau angetan hat!«
»Das alles hätten Sie ohne mich nie rausgefunden. Ich denke, Sie schulden mir etwas. Außerdem habe ich Sie bisher nicht belogen.«
»Ich will einen Beweis, dass Rose lebt.«
Sneijder verzog unglücklich das Gesicht.
»Ich rufe in dreißig Minuten auf dem Festnetz von Dr. Harmanns Praxis an«, sagte er. »Dann nenne ich Ihnen den Ort, wohin Sie fahren sollen.«
Es knackte in der Leitung.
»Vervloekt!«, brüllte Sneijder. »Sie hätten es fast verdorben!«
»Hätte ich nicht.« Helen blieb ruhig. »Glauben Sie, der riecht den Braten nicht, wenn ich, ohne zu zögern, mitspiele?«
»Der Wahnsinn, in dem er lebt, ist nur eine andere Form der Realität. Er hätte es nicht bemerkt.« Sneijder ließ die angespannten Schultern sinken. »War das dieselbe verzerrte Stimme, die Sie vor zwei Tagen gehört haben?«
Helen nickte.
»Wenigstens etwas.« Er wandte sich an Ben. »Können wir innerhalb von dreißig Minuten eine Fangschaltung installieren?«
»Ohne richterlichen Beschluss vom Anschluss einer Therapeutin? Unmöglich«, antwortete Ben. »Scheiß drauf, wir machen es trotzdem.« Er telefonierte mit seinen Kollegen vom Wiener BKA. »Alles klar.«
Kurz darauf läutete sein Handy. Das Gespräch dauerte nur eine Minute, dann legte er auf.
»Mittlerweile konnten wir die Quelle des Anrufs ermitteln«, informierte Ben sie. »Ein Wertkartenhandy, das uns nicht weiterbringt.«
»Standort?«, fragte Sneijder.
Ben schüttelte den Kopf. »Um bei der Telekom herauszufinden, in welchen Handymasten sich das Telefon eingeloggt hat, brauchen wir mehr Zeit. Inzwischen könnte er weiß Gott wo sein.«
»Veranlassen Sie trotzdem eine Handypeilung!«, blieb Sneijder hartnäckig.
»Davon verspreche ich mir nichts. In fünfundzwanzig Minuten erfahren wir ohnehin den Ort der Übergabe. Dann fahren wir hin und …«
»Wir?« Helen erhob sich. »Wenn ihr wisst, wo der Kerl ist, könnt ihr ihn euch schnappen, aber ich steige aus.«
Ben sah sie verständnisvoll an. »Ist klar. Danke, dass du überhaupt mitgespielt hast.«
Sneijder kam auf sie zu. »Ich kann Sie nicht zur Mitarbeit zwingen – das würde ich nie tun. Aber unser Vorteil ist, dass Carl Boni nicht weiß, dass Sie mit uns kooperieren.« Er presste Daumen und
Zeigefinger aneinander. »Wir sind so knapp davor, den Kerl zu schnappen. Ich möchte Sie bitten, nur noch eine Stunde lang vorzutäuschen, dass Sie nach seinen Regeln spielen, bis wir ihn gefasst und Rose Harmann befreit haben. Es gibt zwar Risiken, aber die kann man ausschalten.«
Sie warf Ben einen skeptischen Blick zu.
Dieser hob die Schultern. »Es ist in deinem Sinne, dass wir ihn fassen«, argumentierte er. »Carl Boni weiß, wo du wohnst, und du stehst auf seiner Abschussliste. Wir könnten ihn jetzt mit deiner Hilfe endgültig festnageln. Aber es ist nicht ungefährlich.«
Sabine Nemez machte als Einzige ein unglückliches Gesicht. Helen schien, als schüttelte sie unmerklich den Kopf.
»Uns bleibt noch etwas Zeit«, sagte Helen. »Ich denke darüber nach.«
Helen stand in der Küchennische von Rose Harmanns Praxis, hörte, wie die Männer im Therapieraum telefonierten, und ließ die letzten beiden Tage Revue passieren. Währenddessen lag Dusty zusammengerollt auf dem Boden, mit der Schnauze auf ihren Füßen. Sie starrte auf ihr Handydisplay. Am Nachmittag hatte Ben zweimal versucht, sie zu erreichen – und Frank fünfmal. Vermutlich sprang er wie Rumpelstilzchen auf dem Grundstück herum, weil er sich selbst um seine Feier kümmern musste. Pfeif drauf! Er
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