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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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berichten.«
    Im Moment lief auch alles schief. Sie sah die reißerische Schlagzeile schon vor sich. »Ich muss mit meinem Vater sprechen!«, drängte sie.
    Da klopfte es an der Tür. Wallner streckte den Kopf ins Büro. »Und?«, fragte Kolonowicz, als wartete er auf eine konkrete Info.
    Wallner sagte nichts. Aus dem Augenwinkel bemerkte Sabine, wie er über den Rand der Hornbrille linste und mit einer knappen Bewegung zu Sabine deutete.
    »Ist schon okay.«
    »Die Kriminaltechnik hat die Fingerabdrücke aus der Wohnung untersucht.«
    Sabines Gaumen wurde trocken. Sie wusste, was als Nächstes passieren würde – und sie konnte nichts dagegen tun.
    »Er war in der Wohnung«, sagte Wallner.
    Kolonowicz erhob sich. »Das schaut nicht gut aus. Bring ihn nach oben zur Mordgruppe – ich rede mit dem Staatsanwalt.«
     
    Wallner brachte Sabines Vater zu den Kollegen von der Münchner Kriminalpolizei. Die befand sich im selben Gebäude, eine Etage weiter oben. Nun würde aus der Befragung ein Verhör werden, und Sabine war sicher, die Spezialisten würden bald herausfinden, dass ihr Vater schon länger von der Entführung gewusst hatte.
    Sie schlug den Rat ihres Vorgesetzten erneut aus, sich zwei Tage Sonderurlaub zu nehmen. Stattdessen zog sie sich in ihr Büro zurück und starrte abwechselnd auf Wanduhr, Monitor und zu den beiden Domtürmen. Neben ihrer Tastatur lag eine offene Packung Gummibärchen. Normalerweise hätte Sabine dieses Zeug wie ein Staubsauer vernichtet, doch ihr Magen fühlte sich an, als wollte er sich jeden Moment umstülpen.
    Als sich das Licht der aufgehenden Sonne in den grünen Schindeln
der glockenförmigen Hauben spiegelte, goss Sabine die Schlingpflanzen auf dem Fensterbrett. Langsam krochen die Schatten über die Hausdächer. Ebenso zäh verging die Zeit. Vor zwanzig Minuten hatte sie über Webmail von ihrem privaten Account eine E-Mail an Erik Dorfer geschickt. Ihr ehemaliger Schulfreund aus dem Kölner Sportgymnasium arbeitete in der Wiesbadener Zentrale des Bundeskriminalamts. Mit sechzehn Jahren waren Erik und sie zusammen gewesen. Sie erinnerte sich gern an diese Zeit, als Dutzende Schmetterlinge durch ihren Bauch geflattert waren. Sogar als Sabine wieder in München wohnte, hatten sie noch Kontakt. Doch nach dem Abitur ging Erik zur Bundeswehr, und sie verloren sich aus den Augen. Kürzlich stieß sie via Facebook auf ihn, und als sie seine aktuellen Fotos sah, war das Kribbeln im Bauch wieder da. Sie arbeiteten sogar einmal wegen einer Fahndung zusammen.
    Erik hatte geschafft, was Sabine bisher verwehrt geblieben war. Er hatte bloß eine Bewerbung geschrieben, und die war nicht abgelehnt worden. Für eine Aufnahme beim BKA fehlte es Sabine an der nötigen Protektion. Sie kannte niemanden in Wiesbaden, außerdem war sie eine Frau. Da mahlten die Mühlen erheblich langsamer. Aber ihre große Leidenschaft war nun mal das Erstellen von Täterprofilen, und sie würde sich jedes Jahr um einen Posten beim BKA bewerben, bis sie alt und grau war – das hatte sie sich geschworen.
    Die lapidare Betreffzeile ihrer Nachricht an Erik hatte gelautet: benötige hilfe vom architekten. Seither aktualisierte sie minütlich ihren Webmail-Account.
    Kurz vor sechs Uhr kam die Antwort aus Wiesbaden.
    Passwort: Er.Do.BKA
Kennnummer: 82691
Abfragecode: 761C-514/II
PS: Strapaziere den Architekten nicht!

    Sabine schmunzelte. Bisher hatte sie den Architekten erst dreimal verwendet – einmal erfolgreich, zweimal vergebens. Sie schob Tasse und Kaffeekanne beiseite und öffnete das Intranet der Polizei. Danach klickte sie auf ein unscheinbares Icon. Das Programm begrüßte sie mit den Worten: Guten Tag, Frau Kriminalkommissarin Sabine Nemez. Daneben prangte das blaue Logo einer Pyramide. Darunter stand: Durchsuchung aller europaweiten Datenbestände und aller landesweit organisierten Systemdatenbanken. Kurz Daedalos.
    Das war der Architekt.
    Das Programm hieß nicht zufällig wie der Baumeister des Labyrinths aus der griechischen Mythologie. Denn exakt ein solches gigantisches Gebilde aus Informationen beherrschte Daedalos. Die vernetzte Durchsuchung sämtlicher angeschlossenen Datenbanken nach bestimmten Mustern, Kategorien oder gar nur Informationssplittern bot mehr als eine konventionelle Abfrage. Daedalos war ein brandneues System, das die Arbeit des BKA erleichterte. Genau da lag der Haken. Daedalos war nur Mitarbeitern des BKA zugänglich. Aber mit dem richtigen Passwort, der richtigen Kennnummer und

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