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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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ihren Sommersprossen und ihrem dunklen Teint – und mit sechsunddreißig Jahren konnte man auch mit einem burschikosen Haarschnitt sexy aussehen.
    »See you, my Darling!« Alex zwinkerte ihr zu und betätigte den Gashebel.
    Helen hob schmunzelnd die Hand. »See you.«
    Das alte Mofa drehte tuckernd eine Kurve. Für einen Moment fiel das Scheinwerferlicht auf die Wiese. Unter dem Briefkasten glänzte eine offene, handgroße Schachtel im Gras. Dann lag die Wiese wieder im Schatten. Das Mofa zog eine stinkende Rauchwolke hinter sich her.
    Helen hob die Schachtel auf. Der Deckel stand offen. Nur ein roter Filz lag im Inneren, sonst nichts. Dusty wurde unruhig, als sie den Deckel schloss. In breiten handschriftlichen Lettern stand der Empfänger auf der Schachtel: Frau Dr. Helena Berger.

5
    Kurz nach fünf Uhr morgens kehrte Sabine Nemez mit ihrem Kollegen ins Dezernat zurück. Während Simon den Bericht über die Wohnungsdurchsuchung schrieb, zitierte Kolonowicz Sabine in sein Büro. Die erkaltete Zigarre lag im Aschenbecher. Das Fenster war gekippt, und die Jalousie klapperte im Wind. Ein heller Streifen am Horizont tauchte die Dächer in einen zarten Orangeton.
    »Ich habe gesehen, wie du aus Simons Wagen gestiegen bist. Was hast du dir dabei gedacht?«, fuhr er sie an.
    Fünf Minuten lang hörte sie sich eine Standpauke an. Währenddessen starrte sie aus dem Fenster. Die beiden Hauben des Münchner Doms riefen in ihr mittlerweile eine völlig neue Assoziation hervor. Kein Bild eines Gottesdienstes – sondern der Anblick ihrer toten Mutter, angekettet an die Domorgel, mit einem Plastikschlauch im Mund.
    »Der Mörder hat ihr vermutlich in der Wohnung aufgelauert«, unterbrach sie ihren Chef. »Wo ist mein Vater?«
    Kolonowicz strich sich über den senffarbenen Schnauzer. Sein resignierter Blick sagte ihr, dass er sich mit ihrer Sturheit abgefunden hatte. »Immer noch im Haus.«
    Sabine blickte auf die Armbanduhr. »Seit sieben Stunden? Ich bringe ihn in ein Hotel.«
    Kolonowicz räusperte sich. »Bine …«
    Ihr wurde speiübel. Sie kannte diesen Ton.
    »Wir sind noch nicht fertig mit ihm. Setz dich erst einmal.«
    Sie blieb stehen. Keine zehn Pferde würden sie jetzt dazu bringen, sich gehorsam hinzusetzen.
    »Wir wissen mittlerweile, dass er seit vielen Jahren mit deiner Mutter im Streit lebte. Plötzlich taucht er hier in München auf,
besucht seine Exfrau und findet angeblich Einbruchspuren an ihrer Wohnungstür. Kurz nach dem Mord sucht er dich auf, um dir zu erzählen, sie sei entführt worden.«
    Sabine schluckte. Ihr Chef hatte recht. Das klang nicht gerade glaubwürdig. »Mehr hat er nicht gesagt?«
    Kolonowicz schüttelte den Kopf. »Je mehr wir ihn und seine Beweggründe hinterfragen, desto mehr verstrickt er sich in Widersprüche. Weswegen ist er von Köln hierher gefahren? Warum zu deiner Mutter? Welches Alibi hat er für die letzten vierundzwanzig Stunden?«
    »Alibi?«, echote Sabine. Sie wusste, was das bedeutete. Ihr Vater steckte bis über beide Ohren in der Klemme. »Ich möchte mit ihm sprechen.«
    »Das geht nicht. Du bist nicht mit dem Fall betraut.« Kolonowicz erhob sich. »Aufgrund deiner familiären Beziehung zu dem Opfer und zu einem vorläufigen Verdächtigen ist es besser so«, fügte er hinzu.
    »Ich könnte Wallner und Simon bei den Ermittlungen helfen.«
    Kolonowicz seufzte. »Ich werde den Fall innerhalb der nächsten Stunden an die Experten der Mordgruppe übergeben.«
    »Doch noch nicht jetzt!«, protestierte Sabine. Die Kripo wurde erst eingeschaltet, nachdem der Dauerdienst seine Ermittlungen beendet hatte. Das war frühestens in zwölf Stunden.
    »Je eher, desto besser«, sagte Kolonowicz. »Wallner stellt im Moment den Bericht für den Staatsanwalt zusammen.«
    War das zu fassen? Sabine ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Gerade weil die Familie einer Kollegin in einen Mordfall verwickelt war, könnte der Dauerdienst diesmal länger an der Ermittlung dranbleiben, bevor die Sache aus der Hand gegeben wurde. Sie kannte die Kollegen von der Mordgruppe. Die gingen bei Verhören nicht gerade zimperlich vor.
    Offensichtlich dachte Kolonowicz anders darüber. Außerdem schien er ihre Gedanken zu erraten, denn er setzte eine bedauernde Miene auf. »Es tut mir leid, Bine. Ein Mord im Münchner Dom
ist eine andere Sache als ein Mord in irgendeinem abbruchreifen Zinshaus. Die Presse hat Wind von der Sache bekommen und wird bereits in der Morgenausgabe darüber

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