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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Sohn – kamen heute um zehn Uhr.
    Die Tauben saßen auf der Hochspannungsleitung und gurrten um die Wette. Über die Felder drang das Läuten der Kirchturmuhr aus dem Ort. Irgendwo ratterte ein Rasenmäher, und vor der Villa tuckerte ein Traktor vorbei. Es versprach ein warmer Frühlingstag zu werden. Dementsprechend trug sie eine leichte Bluse und kurze, an den Rändern ausgefranste Jeans mit breitem Ledergürtel.
    Helen legte Handy und Sonnenbrille auf den Gartentisch und goss Kaffee aus der Thermoskanne in ihren Plastikbecher. So schmeckte er am besten. Sie hatte Frühstück für Frank und sich zubereitet, mit Orangensaft, Spiegeleiern, Speck, Müsli und Vollkornbrot. Frank wollte jeden Montagmorgen ausgiebig frühstücken, da er später als sonst ins Büro fuhr. Im nächsten Augenblick erschien er auch schon auf der Terrasse.
    »Morgen, Schatz«, sagte er knapp und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »An deine neue Frisur muss ich mich erst gewöhnen. Die Tönung sieht gut aus, aber die Haare sind etwas kürzer, nicht wahr?«
    Typisch Frank! Von wegen Tönung. Sie waren genauso rabenschwarz wie vorher. Und zwanzig Zentimeter nannte er etwas kürzer! Er wollte sie sicher nur auf den Arm nehmen.

    »Ich mache nur Spaß.«
    Sie schmunzelte. »Ich weiß, du Ekel.«
    Seine grau melierten Schläfen glänzten im Sonnenlicht. Er duftete nach Aftershave. Ocean von Wilkinson. Langsam merkte man ihm das Alter an. Doch trotz seiner fünfzig Jahre sah er verdammt gut aus. Heute war er wieder einmal wie aus dem Ei gepellt, mit Leinenhose, Poloshirt, Sakko und italienischen Designerschuhen. Seine Spiegelsonnenbrille steckte im Hemdausschnitt. An der Hand trug er die neue Omega mit Automatik, die sich durch die Bewegung des Gelenks selbst aufzog. Obwohl seine große Geburtstagsfeier erst in drei Tagen stattfinden sollte, hatte sie ihm die Uhr schon am Wochenende geschenkt.
    Helen betrachtete sein blütenweißes Poloshirt. Normalerweise trug er maßgefertigte Hemden mit seinen aufgestickten Initialen. »Fährst du heute nicht aufs Gericht?«
    »Doch, aber nur kurz. Keine wichtigen Termine, nur lästiger Bürokram.«
    Er trank im Stehen einen Schluck Kaffee. Dann legte er ihr eine Mappe auf den Tisch. »Die Gästeliste. Einige haben noch nicht zu- oder abgesagt. Ich habe keine Zeit, kümmerst du dich bitte darum?«
    »Ich bin auch berufstätig«, protestierte sie. »Außerdem ist es dein Geburtstag.«
    »Ach, komm schon! Die paar Klienten, die du hast.«
    Sie unterdrückte einen Fluch und schlug die Mappe auf. In der Mitte klemmte ein Kugelschreiber. Oh Gott, das konnte dauern. Sechzig Gäste. Hinter etwa fünfzehn Namen befanden sich handschriftliche Fragezeichen. Helen kannte die Richter, Pathologen oder Kollegen aus Franks Abteilung nur nach deren Namen.
    »Du hättest wenigstens die Telefonnummern dazuschreiben können.«
    »Findest du leicht im Telefonbuch.« Frank stellte die Tasse auf den Tisch, holte den Autoschlüssel aus der Hosentasche, beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

    »Frühstückst du nicht mit mir?«, fragte sie.
    Er blickte auf Speck und Spiegeleier. »Keine Zeit. Bis später, ich komme am Nachmittag gegen fünf heim.«
    Ihr war seine Anspannung schon am Morgen aufgefallen. Sonst war er nach dem Wochenende die Ruhe in Person, doch diesmal bedrückte ihn etwas, worüber er nicht sprechen wollte. Er war mit dem Handy ins Badezimmer gegangen, was er sonst nie tat. Offenbar wartete er auf einen dringenden Anruf. Mit der bevorstehenden Feier hatte das garantiert nichts zu tun, denn bisher hatte er sich deswegen noch kein Bein ausgerissen.
    »Hast du dem Fotografen Bescheid gesagt?«, fragte sie.
    »Ach, verflucht.«
    Typisch! Helen spürte einen Kloß im Hals. »Wir müssen noch die Sitzordnung der Gäste besprechen, und ob die Band ihr Equipment in einem Zelt aufbauen soll, falls es regnet.«
    Frank schüttelte den Kopf. »Es wird nicht regnen!«
    »Wann liefert der Partyservice?«
    Er war schon auf dem Weg zum Carport. »Klär du das, Schatz!«
    »Ich denke nicht daran!«, rief sie ihm nach. »Ich bin schließlich nicht deine Haushälterin. Irgendetwas wirst du doch auch tun können!«
    »Was ist denn mit dir los? Bekommst du deine Tage?«
    Sein roter Sportwagen quäkte. Die Tür sprang auf, und er warf sich in den Sitz.
    Helen ließ den Blick über Brot, Eier, Speck und Müsli gleiten.
    Nicht aufregen …
    Was riet sie ihren Klienten immer? Bis zehn zählen, tief durchatmen, den

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