Todesfrist
Kollegen durchsucht. Dabei wurde ein Tintenfässchen mit seinen Fingerabdrücken gefunden. Das ist die letzte Info, die ich erhalten habe. Womöglich ist die Flüssigkeit darin identisch mit der am Tatort.«
Bestimmt ist sie das!
Ihr Vater brauchte so rasch wie möglich einen Anwalt. Sie könnte den Anwaltsnotdienst einschalten, doch wer weiß, wann die jemanden schicken würden. Ihr fiel nur Gabriel ein, der geschiedene Mann ihrer Schwester. Der verlogene Bastard war zwar mit den Unterhaltszahlungen für Kerstin, Connie und Fiona drei Monate im Rückstand, weswegen sie ihm am liebsten den Hals umdrehen wollte, doch als Strafverteidiger war er nicht schlecht.
»Noch etwas«, murmelte Kolonowicz. »Ein Kollege vom BKA aus Wiesbaden kommt zu uns.«
»Wegen des Mordes an meiner Mutter?«
»Keine Ahnung.« Er zuckte mit den Achseln. »Mit der nächsten Lufthansa-Maschine aus Frankfurt. Simon holt ihn gerade vom Flughafen ab.«
»Hat er keinen Wagen?«
»Ich hatte bisher zweimal das Vergnügen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Soviel ich weiß, besitzt er keinen Führerschein. Jedenfalls mussten wir ihn damals durch München kutschieren.« Kolonowicz wischte sich den Schlaf aus dem Gesicht. »So sind sie, die Schlipsträger vom BKA. Allesamt Sesselpupser und Wichtigtuer.«
Sabine zuckte zusammen. So hatte sie ihren Chef noch nie über einen Kollegen reden hören. Ahnte er, dass sie sich bereits dreimal um eine Ausbildung in Wiesbaden beworben hatte?
»Wie heißt der Mann?«
»Maarten S. Sneijder.«
»Maarten Sneijder?«, wiederholte Sabine. »Nie gehört.«
»Maarten S. Sneijder«, korrigierte er sie. »Kommt ursprünglich aus Rotterdam. Er ist ein alter Fuchs, dem nichts entgeht. Hat einen Riecher wie ein Kamel, das eine Wasserpfütze in zwanzig Kilometern Entfernung wittert.«
Das klang nicht nach Sesselpupser. Falls der Mann tatsächlich wegen des Mordes an ihrer Mutter hier war, musste sie mit ihm sprechen.
Auf dem Weg in ihr Büro rief sie erneut Erik an, doch der war weder in seinem Büro in Wiesbaden noch auf seinem Handy zu erreichen. Zum Haareraufen! Sabine hinterließ eine weitere Nachricht auf seiner Mobilbox.
An ihrem Schreibtisch tippte sie den Code für ihre Anfrage an Daedalos ein, doch der Zugang war immer noch gesperrt. Sie schob die Tastatur beiseite und sank in den Stuhl zurück. Missmutigöffnete sie das Telefonverzeichnis in ihrem Handy und klickte sich bis zu Dr. Gabriel Zerny durch. Manche nannten ihn Dr. Gaze, ein blödes Wortspiel mit den Anfangsbuchstaben seines Namens, weil er seinen berühmten kalten, starren Blick aufsetzte, sobald er den Gerichtssaal betrat. Ihre Schwester Monika kannte dieses durchdringende Mustern nur zu gut. Lange blickte Sabine auf den Namen. Sollte sie ihn kontaktieren? Ihr fiel keine bessere Alternative ein.
Sie wählte die Nummer von Gabriels Kanzlei, und seine Sekretärin stellte das Gespräch zu ihm durch. Der Exmann ihrer Schwester meldete sich wie immer mit gespielt höflicher nasaler Stimme – einen Tick zu freundlich, sodass es verarschend klang. »Hallo, mein Engel. Herzchen, was kann ich für dich tun?«
»Gabriel, lass den Quatsch. Ich möchte, dass du jemanden vertrittst, der unter Mordverdacht steht.« Ihre Bitte war ein gefundenes Fressen für diesen Lackaffen.
»Das finde ich großartig!«, rief er. »Zuerst verhaftest du die Kerle, dann engagierst du mich, damit ich sie vor dem Gefängnis bewahre.«
»Meine Mutter …« Sie spürte Tränen in den Augenwinkeln. »Meine Mutter wurde tot aufgefunden, und Vater wird gerade verhört.«
Im nächsten Moment klang seine Stimme normal. »Bine, das tut mir leid. Doch nicht etwa der Mord im Dom?« Er machte eine Pause. »Wie kann ich euch helfen?«
Vielleicht war er doch kein solches Arschloch. Andererseits sprach sie immerhin von seinen ehemaligen Schwiegereltern, und da konnte man wohl ein wenig Respekt erwarten.
»Deine Kinder wissen noch nichts davon. Monika erzählt es ihnen später. Vorerst braucht Vater deine Hilfe. Seine Wohnung in Köln wurde bereits durchsucht. Die Kollegen vom LKA verhören ihn gerade in der Maillingerstraße.«
»Er ist in München?«, fragte Gabriel.
»Ja, aber den Grund soll er dir selbst erklären. Kümmere dich bitte darum … er war es nicht.«
»Davon gehe ich aus.« Gabriel legte auf.
Sie starrte an die Wand. Simons Stimme aus dem Korridor riss sie aus den Gedanken.
»So ein zynischer Arsch!«, schimpfte er. »Behandelt mich wie seinen
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