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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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sie daran denken, dass manche Skorpione einen Giftstachel besaßen, der für Menschen tödlich sein könnte. Instinktiv legte sie die Hand auf ihren Bauch. Noch war nichts zu sehen. Sie war erst in der vierten Woche schwanger. Ob es ein Junge war? Wie würde der Vater reagieren? Jedenfalls musste sie ihm bald davon erzählen. Und nun konzentriere dich auf deinen Klienten!
    Sie beobachtete Carl, während er sprach. Die berechnenden Augen, das selbstbewusste Auftreten und das verschmitzte Lächeln wiesen ihn als eine charismatische Person aus, die andere leicht in ihren Bann ziehen konnte. Gerade bei solchen Menschen war es schwierig, die Schutzhülle zu knacken, um zum Kern der Probleme vorzudringen.
    »Wie würden Sie das Verhältnis zu Ihren Eltern mit drei Eigenschaftswörtern beschreiben?«, fragte Rose.
    Er dachte nach. »Ich habe meinen Vater geliebt. Er war ein intelligenter Mensch, aber streng, dominant … und jähzornig.«
    Interessant, dass er die Frage sofort auf den Vater bezog. Doch selbst da beschrieb er die Person und nicht das Verhältnis zu ihr. Außerdem bemerkte sie seine ambivalenten Gefühle. Er liebte eine strenge, jähzornige Person – doch das war nichts Ungewöhnliches.
    »Und Ihre Mutter?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Sie ist eine einfache Frau, arbeitet mal hier, mal da als Pflegerin, hat aber nicht das Auftreten meines Vaters.«
    Nach einigen Fragen über weitere Verwandte, seine Schulbildung und seine Interessen war die Anamnese vorerst beendet. Rose klappte die Mappe zu. »Haben Sie Fragen?«
    Carl rückte an den Rand der Couch vor. »Welche Ausbildung haben Sie?«

    Sie schmunzelte.
    »Warum lächeln Sie?« Er klang irritiert.
    »Weil die meisten Klienten eine Zeit lang um den heißen Brei herumreden, Sie jedoch direkt fragen – das finde ich gut.«
    Sein Blick verdunkelte sich. »Was finden Sie daran gut?«
    »Nun, auf mich wirken Sie wie jemand, der geradlinig auf ein Ziel zusteuert, sich nicht mit Nebensächlichkeiten verzettelt und weder Zeit noch Gefühle vergeuden möchte.«
    Sie registrierte sein kaum wahrnehmbares Nicken.
    »Ich nehme an, Sie wollen über alles, was Sie betrifft, Bescheid wissen. Alles hinterfragen und die Hintergründe kennen. Das ist eine gute Basis für ein offenes Gespräch. In der Psychotherapie geht es in erster Linie um Beziehungen … und um Vertrauen.«
    Diesmal nickte er deutlich. Sie zog einen einfachen Klappfolder aus der Mappe und reichte ihn Carl. »Darin finden Sie einen kurzen Lebenslauf von mir.«
    Er warf einen Blick in die Broschüre.
    »Ich habe Medizin studiert und während des Studiums berufsbegleitend das Propädeutikum zur Psychotherapeutin an der Uni Wien gemacht. Das dauert zwei Jahre. Das anschließende Fachspezifikum noch einmal vier Jahre.«
    »Wie lang ist das her?«
    Sie dachte kurz nach. »Zwölf Jahre.«
    Sie merkte, wie die Zahnräder in seinem Hirn zu arbeiten begannen.
    »Ich bin jetzt vierzig«, kam sie seiner nächsten Frage zuvor.
    Unverhohlen starrte er auf ihre schlanken Beine.
    »Meine fachspezifische Ausbildung erfolgte in Logotherapie nach Viktor E. Frankl.«
    »Das habe ich draußen gesehen.«
    »Das hat nichts mit der Sprachheilkunde Logopädie zu tun«, fügte sie rasch hinzu. »Manche Klienten verwechseln das. Bei dieser Therapie geht es um Sinnfindung und Existenzanalyse.«
    Auf seiner Stirn bildeten sich Falten.

    Rose lächelte. »Nicht um Ihre finanzielle Existenz oder Ihr Bankkonto, sondern um die Sinnfindung in Ihrem Leben, und wie Sie mit sich selbst und Ihren Gefühlen ins Reine kommen.« Sie spürte, dass ihm eine Frage auf der Zunge brannte. »Ja?«
    »Sie verwenden nicht die Psychoanalyse … nach Freud und so?«
    Psychoanalyse nach Freud? Von Petra Lugretti wusste sie, dass Carl zuvor bereits bei drei Therapeuten gewesen war. Alle hatten die Therapie jeweils nach vier Stunden abgebrochen und den Fall nach einem Gespräch mit ihrem jeweiligen Supervisor abgegeben. Den Grund kannte Rose nicht, doch nach Carls Reaktion zu schließen waren es angestaubte Analytiker gewesen, wie Rose sie gern bezeichnete.
    »Nein, ich arbeite nicht nach der psychoanalytischen Methode«, antwortete sie langsam. »Sehen Sie, diese Richtung ist meines Erachtens zu langwierig. So gehe ich nicht vor. Meine Methode ist vor allem das direkte Gespräch. Falls Sie sich entschließen, die Therapie bei mir zu machen, werden wir viel über Ihre Gefühle reden, vielleicht mit dem Flipchart arbeiten oder Briefe an Ihre Mutter,

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