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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Laufburschen.«
    Sie trat in den Gang. Simon und Wallner standen im Türrahmen der Kantine. Simon steckte sich eine Zigarette an und inhalierte gierig. Sie sah ihn nur selten rauchen.
    »Sprichst du von Sneijder?«, fragte Sabine.
    »Von Maarten S. Sneijder!«, murrte Simon. »Ich musste seinen Riesenkoffer schleppen. Verreist wahrscheinlich mit Hinkelsteinen! Auf dem Weg zur Dienststelle saß er hinten und blätterte in seinen Unterlagen. Mann, ich bin so blöd. Als ich ihn fragte, nur um höflich zu sein, ob er schon mal in München war, sagte er: Wollen Sie mir etwa ein Gespräch aufzwingen?« Simon äffte einen nasalen Ton mit niederländischem Akzent nach.

    Wallner lachte. »Ich kenne ihn. Hab ihn früher selbst schon mal zu einem Tatort kutschiert. Musste ihn mit einer Kanne Vanilletee versorgen. Den Grund kann sich wohl jeder denken.« Er machte eine Handbewegung, als kiffte er. »Außerdem durfte ich ihn zu Restaurants und Buchhandlungen fahren. Dankbarkeit kennt der nicht. Hat ein Gemüt wie eine bissige Hyäne. Warte nur, bis er dir seine drei Finger zeigt.«
    Drei Finger? Aus dem oberen Stockwerk drang ein Rumoren, als schöbe jemand Tische über den Parkettboden. Sabine blickte nach oben. Die Lampe bewegte sich hin und her. »Aus welcher Abteilung kommt er?«
    Wallner verzog das Gesicht. »Profiler. Mehr weiß ich nicht.«
    Sabine spürte, wie ihr Blutdruck stieg. »Wo ist er jetzt?«
    Ein dumpfes Rumpeln drang durch die Zimmerdecke.
    »Was glaubst du?« Simon deutete nach oben. »Richtet sich im Besprechungszimmer ein Büro ein.«
    »Bei uns? Wozu?«
    »Keine Ahnung. Dem Kerl zwinge ich kein Gespräch mehr auf, das kannst du mir glauben.«
    Simon zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher. »Finde es selbst raus. Er hat gesagt, er will dich sprechen.« Simon blickte zur Wanduhr. »In exakt vier Minuten.«
     
    Eine Etage höher standen die raumhohen Yuccapalmen des Besprechungszimmers im Gang. Sabine klopfte an die Tür und trat ein. Im nächsten Moment zuckte sie zurück. Es roch intensiv nach Vanilletee. Zugleich stank es nach Räucherstäbchen. Aber da lag noch ein anderer, vom Vanilletee erdrückter süßlicher Duft im Raum, den sie nicht zuordnen konnte.
    Sneijder hatte den Raum komplett umgestaltet. Die Sessel standen zu einem Turm gestapelt in der Ecke. Die Tische bildeten einen großen, U-förmigen Schreibtisch. Sneijder saß in einem Lederstuhl; drei Laptops standen vor ihm. Der Kabelsalat lag quer über dem Parkettboden. Auf dem Tisch lagen einige geöffnete
Ordner, ein Diktafon und ein aufgeklapptes Lederetui mit einer Reihe langer, spitzer Nadeln.
    »Haben Sie die Topfpflanzen rausgestellt?«, fragte Sabine.
    »Die Dinger gehen nicht von selbst raus.« Seine Stimme hatte einen unüberhörbaren niederländischen Akzent, mit einem schlaksig und gedehnt ausgesprochenen L. Er tippte sich an die Stirn. »Die nehmen mir die Luft zum Atmen. Ich brauche Sauerstoff zum Denken.«
    Der Tonfall erinnerte sie an Rudi Carrell. Sneijders Aussehen allerdings nicht.
    Der Mann erhob sich. Er war hager, trug einen schwarzen Designeranzug, war sicher einen Meter achtzig groß und hatte enorm lange Arme. Sie schätzte ihn auf Mitte vierzig. Die dünn rasierten Koteletten begannen beim Ohr und verliefen in einer schmalen Linie bis zum Kinn. Zu der polierten Glatze und dem weißen Gesicht, das seit Jahren keine Sonne mehr gesehen haben konnte, stand der schwarze Bart in scharfem Kontrast.
    »Setzen Sie sich«, forderte er sie auf.
    Der Stuhl stand in der Mitte des Raums und wies zur Wand. Sabine nahm Platz. Wie bei einem Verhör starrte sie an die kahle weiße Wand. Sneijder hatte das große gerahmte Aquarell von Kolonowiczs Frau abgenommen und hinter dem Schrank verstaut. Vermutlich hinderten ihn die Farben am Denken.
    Mit steifen Bewegungen kam er auf sie zu. Die schweißnasse wächserne Stirn wirkte ungesund. Hatte er Fieber?
    »Fühlen Sie sich nicht wohl?«, fragte Sabine.
    »Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie kurz nach sechs Uhr morgens zum Frankfurter Flughafen hetzen?«
    Sechs Uhr morgens! Sie dachte an ihre Anfrage an Daedalos. Nur ein Zufall! Werde jetzt bloß nicht paranoid!
    Mit langsamen Schritten ging Sneijder um sie herum, während er sie musterte. Mit der spitzen Hakennase und den winzigen Augen, denen nichts entging, kam er ihr wie ein Adler vor, der sich auf seine Beute stürzte. Die Metallplättchen an seinen Sohlen
klapperten auf dem Holzboden. Die Schritte waren bestimmt in der gesamten

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