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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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fluchte sie und blickte zu Dusty. »Keine Sorge, mein Kleiner, Frauchen hat noch einen Plan B.«
    Ihr Handy lag ausgeschaltet in der Tasche ihres Jogginganzugs. Sie wagte nicht, es einzuschalten, da der Verrückte jederzeit anrufen konnte. Schließlich nahm sie Dusty an die kurze Leine und joggte mit ihm die Straße hinunter zu einer gelben Doppeltelefonzelle. In einer Kabine war das Kabel aus dem Hörer gerissen, die zweite war funktionstüchtig.
    Helen wählte die Nummer von Ben Kohlers Büro. Sie wollte ihn bitten, einen Kollegen herzuschicken, der Rose Harmanns Praxis öffnete, damit sie einen Blick in deren Unterlagen werfen konnte. Doch die Empfangsdame sagte ihr, er habe zu tun und müsse anschließend zum Flughafen. Auf seinem Handy sprang die Mobilbox an. Verdammt! Sie machte einen dritten Anruf und ließ sich mit seinem Kollegen Oliver Brandstätter verbinden, dem sie
erklärte, dass sie einen Blick in die Praxis der vermissten Therapeutin werfen wolle.
    »Bist du verrückt?«, zischte Oliver ins Telefon. »Das kann ich nicht tun!«
    »Dann frage ich jemand anderen.«
    »Helen, Süße«, sagte er nachsichtig. »Niemand würde dir helfen. Der Prozess war erst vor drei Jahren. Den hat keiner vergessen. Nach deinen Vorwürfen gegen Kripo und Staatsanwaltschaft hast du auf dem Revier keine Freunde mehr.« Er senkte die Stimme. »Für viele wäre es ein gefundenes Fressen, dich bei einer illegalen Aktion zu überführen.«
    »Danke, dass du mich daran erinnerst!«
    »Ich möchte dich bloß vor einer Dummheit bewahren.«
    »Kannst du nicht …?«
    »Ich helfe dir jederzeit gern, das weißt du, aber nicht bei einer laufenden Ermittlung.«
    Mist!
    Sie knallte den Hörer auf. Die Zeit lief ihr davon. Sie musste in diese Praxis. Schön langsam gingen ihr die Ideen aus – doch eine Möglichkeit gab es noch. Plan C. Sie hatte immer noch Franks Schlüsselbund zu Anne Lehners Wohnung, den sie auch jetzt bei sich trug.
    Sie lief weiter bis zu dem modernen Wohnkomplex und fuhr mit Dusty im Glaslift in den sechsten Stock. Auf dem Weg zu Anne Lehners Wohnung begegnete ihr ein grauhaariger Mann im Bademantel, der offensichtlich zur hauseigenen Sauna wollte. Seinen Kommentar »Hunde sind hier aber nicht gestattet!« beantwortete sie mit einem mitleidigen Lächeln.
    Im Vorraum von Annes Wohnung fand sie ein volles Schlüsselbord. Daran hingen Schlüssel für einen Smart, ein Kellerabteil und einen Briefkasten. Manche sahen aus, als gehörten sie zu Gepäckstücken, Fahrrad- oder Vorhängeschlössern. Endlich fand Helen, wonach sie suchte. Ein silberner EVVA-Magnetschlüssel! Auf vier kreisrunden Magnetflächen war ein Code gespeichert.

    Sie steckte den Schlüssel ein und verließ den Wohnblock mit Dusty.
     
    Fünfzehn Minuten später erreichte Helen die Praxis von Dr. Rose Harmann. Auf dem Türschild klebte immer noch der ekelhafte Kaugummi. Der Magnetschlüssel passte. Helen schloss die Tür hinter sich. Dusty war mindestens genauso aufgeregt wie sie. Er stand im Vorraum und beschnupperte Teppich und Schuhe.
    Helen schob den Vorhang zur Seite und blickte aus dem Fenster. Niemand hatte ihr Eindringen bemerkt. Der Parkplatz neben der Praxis war menschenleer. Ein metallic-grüner Smart stand neben dem Altpapiercontainer. Rose Harmanns Wagen! Damit war sie als Anne Lehner nach Grießkirchen gefahren. Nun konnte sich Helen sogar an das Wiener Kennzeichen erinnern. Wer zum Teufel bist du wirklich?
    An den Wänden des Vorraums sah sie zum ersten Mal Fotos von Rose. Gerahmte Presse-Schnappschüsse von diversen Kongressen, Tagungen und Verleihungen. Rose sah genauso aus, wie der Gynäkologe Dr. Rachovsky sie beschrieben hatte: groß, sportlich, sexy, etwa vierzig Jahre alt, mit grünen Augen und einer flotten kastanienroten Kurzhaarfrisur. Sie strahlte ein Selbstbewusstsein aus, bei dem man vor Neid erblassen konnte. Kein Wunder, dass Frank diese Frau attraktiv fand.
    Die Worte des Gynäkologen kamen ihr in den Sinn. Die Frau sieht Ihnen sogar etwas ähnlich. Er hatte recht. Oberflächlich betrachtet waren sie der gleiche Typ Frau. Irgendwie war es paradox, aber diese Tatsache tröstete Helen ein wenig über ihren Schmerz hinweg. Wenn Frank sie schon betrügen musste, dann wenigstens mit einer gut aussehenden Frau und nicht mit einer grauen, bemitleidenswerten Maus. Kaum zu glauben, dass Helen ihr die Rolle der unscheinbaren Apothekengehilfin, die ein einsames Leben fristete, abgenommen hatte. Das warf kein gutes Licht auf sie als

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