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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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des Einführungsgesprächs und der acht Sitzungen.
    In derselben Plastikbox lagen fünf weitere Bänder, die handschriftlich als Selbstgespräche C.B. betitelt waren. Die Schrift war nach rechts verschmiert. Helen starrte auf die Etiketten. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Es waren die Schriftzüge eines Linkshänders, die sie bereits auf den an sie adressierten Schachteln mit den abgetrennten Fingern gesehen hatte.
    Sie ließ alle Warnungen außer Acht und schaltete ihr Handy ein. Die nächste volle Stunde hatte noch nicht begonnen. Hastig tippte sie eine SMS an Ben Kohlers Privathandy. Carl Boni hat Rose Harmann entführt! Danach schaltete sie es wieder aus. Sobald Ben die Nachricht las, würde sich die Kripo auf Bonis Fersen heften. Aber weshalb hatte er seine Therapeutin entführt und verstümmelt? Ihr blieben noch etwas mehr als sechs Stunden, um die Zusammenhänge herauszufinden. Die Antwort lag in den Kassetten. Sollte sie den Ordner, das Diktafon und die Tonbänder nehmen und nach Hause fahren? Sie würde kostbare Zeit verlieren. Außerdem würde Frank ihr keine Ruhe lassen und sie mit den Vorbereitungen seiner Feier nerven. Das konnte sie im Moment so gut brauchen wie eine Gallenkolik.
    Helen entschied sich zu bleiben. Sie zerrte die Box aus der
Schublade und ging in den Therapieraum, wo Dusty selig schlummerte. Dort setzte sie sich auf die Couch und legte das erste Band ins Diktafon.
    »Dienstag, 28. Dezember. Erste Sitzung mit Carl Boni. Es ist kurz vor fünfzehn Uhr. Ich erwarte ihn jeden Moment. Hoffentlich ist er nicht das, wofür ich ihn halte …«
    Zweifellos! Helen hörte die Stimme ihrer Klientin Anne Lehner. Dieselbe Stimme, die über das Handy ihres Entführers um ihr Leben gebettelt hatte.

26
    Während Sabine in einem Kaffeehaus bei einer Tasse Espresso und einem Croissant saß, behielt sie die Ankunftshalle des Wiener Flughafens im Auge. Ständig öffnete sich das automatische Tor, und Menschen strömten durch die Zollkontrolle. Tramper mit Rucksäcken, Manager mit Aktentaschen und braun gebrannte Familien mit Sonnenhüten und bunten T-Shirts. Fast jeder wurde abgeholt. Am meisten freuten sich Hunde, die vor Aufregung auf und ab sprangen, mit dem Schwanz wedelten und erregt ihr Herrchen oder Frauchen begrüßten.
    Sneijder musste noch etwas im Büro der Zollbehörde erledigen. Danach kam auch er durch die automatische Tür – mit seinem riesigen feuerroten Samsonite-Koffer, den er hinter sich herzog. Er entdeckte im Flughafengebäude eine Haital-Filiale, signalisierte Sabine, dass er dorthin wolle, und marschierte los wie ein Kamel, das einer Wasserader folgte. Sollte er doch dort auf Ben Kohler warten.
    Sabine griff zum Handy und telefonierte zuerst mit Monika, dann mit Dr. Gaze, ihrem geliebten Exschwager, und später mit ihrem Vorgesetzten Kolonowicz. Ihr Chef wusste bereits von der Dienstreise mit Sneijder. In Bezug auf ihren Vater gab es keine guten Nachrichten. Das LKA wollte ihn erst aus der Untersuchungshaft entlassen, wenn Sabine mit den Beamten gesprochen hatte. Sie kramte den Eilbrief heraus und rief den zuständigen Kollegen an. Der würgte sie jedoch ab, da er sie persönlich auf dem Revier sehen wollte. Anders könne keine Entscheidung gefällt werden. Sabine legte auf. Blödes Arschloch! Nun lag die Schuld, dass ihr Vater nach wie vor festgehalten wurde, auch noch bei ihr, was ihre Laune nicht gerade hob.

    Nach einer Dreiviertelstunde zahlte Sabine und ging ebenfalls in die Buchhandlung. Sneijder kam ihr zwischen den Regalreihen entgegen. Mit einer Hand zog er den schweren Koffer, in der anderen hielt er ein Buch.
    »Lesen Sie nie?«, fragte er.
    »Keine Zeit. Hörbücher während der Autofahrt sind eher mein Ding.«
    Nachdem sie die Drehtür des Ausgangs passiert hatten, stellte sich Sneijder ein junger Mann in den Weg und hielt ihm einen Ausweis unter die Nase. »Kaufhauskontrolle. Würden Sie mir bitte ins Büro folgen?«
    Sabines Herzschlag setzte für einen Moment aus. Ihr erster Gedanke war, dass Sneijder das Buch geklaut hatte.
    Sneijder blieb gelassen. »Worum geht es?«
    »Folgen Sie mir bitte ins Büro«, wiederholte der Mann.
    Sneijder wedelte mit dem Buch in der Hand. »Geht es darum?«
    »Haben Sie eine Rechnung dafür?«
    Sneijder stellte den Koffer langsam neben sich ab. Mit dem ausfahrbaren Griff war das Ding etwa eineinhalb Meter hoch. Oh Gott, dachte Sabine. Gleich würde sie wieder eine ähnlich peinliche Szene erleben wie mit der Stewardess im

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