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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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ganz bei Trost?
    »Ich habe etwas über Carl Boni rausgefunden«, sagte er, als wäre nichts geschehen.
    »Oh wie nett, wir reden wieder miteinander?«
    »Kommen Sie, hören Sie auf mit diesem Frauenscheiß.« Er lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen.
    Frauenscheiß! Sie wollte etwas darauf erwidern, aber er sah verheerend aus. Auf seiner Stirn stand der Schweiß, und seine Gesichtsfarbe glich den weißen Paneelen der Kabinenverkleidung. Seine Arme lagen auf den Lehnen. In beiden Händen steckte je eine Akupunkturnadel. Ein Wunder, dass sie ihn mit diesen Nadeln in den Flieger gelassen hatten. Damit hätte er den Piloten töten, das Flugzeug in seine Gewalt bringen und in ein Hochhaus steuern können. Aber das war nicht zu befürchten – Sneijder besaß nicht einmal einen Führerschein.
    »Wollen Sie eine Schmerztablette?«, fragte sie.
    Er wehrte ab. »Sobald wir landen, geht es mir wieder besser.« Er drehte den Kopf zu ihr und senkte die Stimme. »Carl wurde in Wien geboren, besuchte dort den Kindergarten, ging in Köln zur Grundschule, in Leipzig in die Hauptschule und machte in Dresden seine Lehre zum Automechaniker. Ihre Mutter unterrichtete ihn in Köln, und Elfriede Nikitsch war seine Lehrerin in Leipzig. Während seiner Lehrjahre lebte er bei Tante Lore in Dresden.«
    Das Puzzle setzte sich zusammen und klang beinahe plausibel. »Aber wo ist die Verbindung zu der ermordeten Rechtsanwaltsgehilfin in Köln?«
    »Die Bonis wohnten in der Nähe des Kölner Doms. Waltraud Nesselberger lebte im selben Haus – sie war eine Nachbarin der Bonis, die sich manchmal um den Jungen kümmerte, wenn die Eltern außer Haus waren.«
    Zwei Lehrerinnen, eine Nachbarin und seine Tante, resümierte Sabine. Sie erinnerte sich an das blonde Jungengesicht auf dem Klassenfoto ihrer Mutter. Dieser Carl Boni hatte sie also ermordet.
    »Ich sehe Ihnen an, woran Sie gerade denken«, sagte Sneijder.
»Aber solange wir die Hintergründe nicht kennen, sollten Sie keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
    »Hat er in Wien seine Vorschullehrerin ermordet?«, fragte sie.
    Sneijder schüttelte den Kopf. »Das nicht, aber ich konnte seinen Aufenthaltsort herausfinden. Seit dem Tod seines Vaters vor mehr als drei Jahren lebt er wieder in Wien. Seine Mutter ebenfalls. Sie ist alleinstehend und besitzt ein kleines Haus am Stadtrand.«
    Als Sabine das hörte, bekam sie ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch. »Wir sollten …«
    »Habe ich bereits veranlasst«, unterbrach Sneijder sie. »Ich habe die Wiener Kripo gebeten, Frau Boni sofort unter Personenschutz zu stellen, bis wir mit ihr gesprochen haben.«
    Sabine ahnte, dass etwas nicht stimmte.
    »Aber das geht nicht. Sie ist vor zwei Monaten verschwunden.«
    »Vor zwei Monaten?«, entfuhr es Sabine. »Wird nach Carl Boni gefahndet?«
    Sneijder trommelte mit den Fingern auf sein iPhone. »Seit etwa fünfzehn Minuten.«
    Damit war eines klar: Das Morden ging weiter. Sabine erhob sich, öffnete das Gepäckfach und kramte in ihrer Reisetasche.
    Sneijder beobachtete sie mit aschfahlem Gesicht. »Gehen Sie frühzeitig von Bord?«
    Das würde sie am liebsten, schon allein wegen seiner blöden Bemerkungen.
    »Ich möchte eine Sache mit Ihnen besprechen.« Sabine holte das Struwwelpeter-Buch aus der Tasche und setzte sich. »Die Reihenfolge der Morde.« Sie schlug den Band auf.
    »Struwwelpeters erstes Opfer wurde von Hunden zerfleischt – das ist die erste Geschichte, die vom bösen Friederich. Sein zweites Opfer wurde verbrannt – das ist die zweite Geschichte von Paulin - chen mit den Streichhölzern. Sein drittes Opfer steckte im Brunnenschacht, entsprechend der vierten Geschichte, der vom wilden Jäger. Und meine Mutter, Opfer Nummer vier, wurde in Tinte ertränkt – das ist die dritte Geschichte von den schwarzen Buben.«

    Sneijder drehte an der Nadel und zuckte für einen Moment mit dem Augenlid. »Ist mir bereits aufgefallen«, murmelte er. »Unser Freundchen mordet in einer anderen Reihenfolge, als die Geschichten in dem Buch stehen.«
    »Aber das passt nicht zu einem Psychopathen, der alles genau plant.«
    »Es passt garantiert!«, widersprach er. »Allerdings wissen wir noch nicht alles. Erst wenn wir das ganze Bild sehen, werden wir erkennen, worauf es hinausläuft.«
    Sabine blätterte zur nächsten Geschichte. »Genau das macht mir Angst.« Ein Frösteln kroch ihr über die Wirbelsäule.
    Bei der fünften Geschichte würde Struwwelpeter in die Rolle des Schneiders

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