Todesgarten
Bernd war so stur. Ich bin manchmal überhaupt
nicht mehr an ihn herangekommen.«
»Haben diese Streitigkeiten um Daniel letztlich zum
Bruch in Ihrer Ehe geführt?«
»Nein. Es gab zahllose andere Gründe. Dieser Streit
war nur einer unter vielen. Am Ende haben wir uns einfach auseinandergelebt.«
»Würde Ihr Exmann diese Frage genauso beantworten?«,
wollte Anke wissen.
Bärbel Neubauer zögerte. »Nein, wahrscheinlich nicht.
Er würde sagen, Daniel war der Grund für unsere Trennung. Er hat nicht
verstanden, was der Kern unserer Auseinandersetzungen war. Er war der Meinung,
Daniel wäre mir wichtiger als er selbst. Als wenn es darum gegangen wäre.«
»Denkt Ihr Exmann vielleicht, die Ehe wäre heute noch intakt,
wenn Daniel damals nicht zu Ihnen gekommen wäre?«
»Ja, ich fürchte, genau das denkt er. Obwohl ich es
ihm immer wieder erklärt habe. Daniel hatte nichts damit zu tun.«
»Hat sich Ihr Exmann in den vergangenen Tagen bei
Ihnen gemeldet?«
»Nein, wir haben schon seit Jahren keinen Kontakt
mehr. Ich werde ihm wohl schreiben müssen, dass Daniel â¦Â« Sie stockte. Ihre
Augen weiteten sich. »Wieso fragen Sie das? Ist er etwa �«
»Wollen Sie damit sagen, Sie wussten nicht, dass Ihr
Exmann in Berlin ist?«
Jetzt starrte sie Anke fassungslos an. »Bernd? Hier in
der Stadt?«
Kathrin beobachtete sie genau. Es schien so, als hätte
Bärbel Neubauer tatsächlich nichts davon gewusst.
»Hat er zu Daniel Kontakt aufgenommen? In der letzten
Zeit?«
»Ich ⦠nein.« Offenbar brauchte sie eine Weile, um die
Neuigkeit zu verarbeiten. Anke holte bereits Luft, um die nächste Frage zu stellen,
als es an der Tür klopfte. Lohmann steckte seinen Kopf durch den Spalt.
»Entschuldigung. Kann mal einer von euch kommen? Hier
ist jemand.«
Kathrin unterdrückte ein Aufstöhnen. Sie stieà sich
von der Fensterbank ab, entschuldigte sich bei Bärbel Neubauer und folgte Lohmann
auf den Flur.
Sie wollte ihn bereits zusammenstauchen, als sie die
Frau entdeckte, die hinter ihm stand. Eine zierliche Mittvierzigerin mit
blonden Haaren und heller Haut.
»Das ist Ingrid Hesse«, sagte Lohmann.
Bärbel Neubauers Freundin und Nachbarin. Bernd
Neubauers zweite Frau. Schon seltsam. Ingrid Hesse war der gleiche Typ wie
Bärbel Neubauer, zumindest was Statur und Haarfarbe anging. Nur trug sie keine
Wollkleider und Strickjacken, sondern ein teures Kostüm und hochhackige Schuhe.
Trotzdem hätten sie als Schwestern durchgehen können.
»Sie wollen Ihre Freundin abholen?«, fragte Kathrin.
»Genau. Man sagte mir, ich solle in einer halben
Stunde wiederkommen.«
Lohmann, glücklich darüber, die Frau wieder los zu
sein, verdrückte sich eilig.
»Es dauert noch einen Moment«, sagte Kathrin. »Kommen
Sie doch kurz mit in mein Büro.«
»Natürlich.« Sie folgte ihr den Korridor entlang.
»Sie waren die zweite Frau von Herrn Neubauer, ist das
richtig?«
Ingrid Hesse verzog das Gesicht. »Stimmt, aber das ist
schon eine Ewigkeit her. AuÃerdem waren wir nicht lange verheiratet.«
Kathrin öffnete die Tür. In ihrem Büro war es ziemlich
unordentlich, aber wenigstens waren sie allein. Harald war offenbar schon
wieder unterwegs.
Auf der Tastatur ihres Computers sah sie einen Zettel
liegen. Es war der Notizzettel mit dem Autokennzeichen des Opel Corsa. Gleich
morgen würde sie die Meldestelle anrufen. Sie schob den Zettel zur Seite.
Ingrid Hesse setzte sich.
»Aber die ganze Geschichte hatte ein Gutes«, sagte
sie. »Dadurch habe ich nämlich Bärbel kennengelernt. Bärbel und die anderen. Daniel,
Jens, Günther, Björn. Wir sind ja so etwas wie eine Familie. Und gerade jetzt,
in diesen Zeiten, ist es gut, eine Familie zu haben.«
»Sie waren zwei Jahre mit Bernd Neubauer verheiratet.
Weshalb ist die Ehe gescheitert?«
»Da gab es gar nichts zu scheitern. Die war von Anfang
an dem Untergang geweiht. Ich war nur ein Ersatz für Bärbel. Diese Heirat war
eine wirklich dumme Idee.«
»Was meinen Sie damit? Ein Ersatz für Bärbel? Denken
Sie, er hat seine erste Ehe nicht ausreichend verarbeitet?«
»Das ist noch freundlich ausgedrückt. Es gab im Grunde
gar kein anderes Thema als seine Ehe mit Bärbel. Er war so voller Groll. Heute
weià ich gar nicht, wieso ich mich überhaupt darauf
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